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jobvermittlungArbeitslose sind nicht nur Kunden

Die Arbeitsmarktpolitik in Deutschland ist eine Art Hitparade: Mal steht der eine Vorschlag auf Platz eins, dann sackt er wieder ab und ein neuer oder nur die Coverversion einer alten Idee klettert auf den ersten Rang. Nachdem kürzlich der Kombilohn in der politischen Beliebtheitsskala nach oben schoss, kommen jetzt die privaten Jobvermittler zu neuen Ehren. Die Arbeitgeber fordern, dass Erwerbslose künftig wählen dürfen, ob sie sich vom ersten Tag an nur vom Arbeitsamt oder auch gleich von einem privaten Personalvermittler helfen lassen.

Kommentarvon BARBARA DRIBBUSCH

Entscheiden sie sich für einen Privatvermittler, müsste dieser vom Arbeitsamt eine Provision bekommen, wenn er den Stellensuchenden wieder in Lohn und Brot bringt. Angesichts der geschönten Vermittlungsstatistiken, die das Image der Arbeitsämter nachhaltig ramponiert haben, ist dagegen nichts zu sagen. Dabei trägt dieses Debakel jedoch eine unbemerkt gebliebene Botschaft: Offenbar finden mehr Arbeitslose als gedacht ganz ohne Hilfe der Ämter eine Stelle. Es gibt unter den Erwerbslosen eben die Chancenreichen und die Chancenarmen. Und diese Differenzierung ist das eigentliche Problem.

Eine stärkere Privatisierung der Vermittlung wird diese Segmentierung der Arbeitslosen künftig noch plastischer machen. Denn Arbeitslose sind nun mal nicht nur „Kunden“, denen man nur die beste Dienstleistung in der Vermittlung anbieten muss, damit sie wieder schnell einen Job finden. Ein Drittel der Arbeitslosen hier zu Lande ist älter als 50 Jahre, viele davon schlecht qualifiziert, gesundheitlich eingeschränkt oder in wirtschaftlich schwachen Ostregionen ansässig. Für manche Erwerbslose ist die Stütze vom Amt längst eine Ersatzrente. Daran wird sich auch wenig ändern, wenn diese Arbeitslosen zu einer privaten Agentur vor Ort gehen können, um nach Jobs zu fragen. Es gibt in ihrer Heimatregion für sie keine Arbeit, weil die Privatwirtschaft dort am Boden liegt. Vermittler können die Chancenreichen leicht unterstützen – aber was ist mit den andern?

Die privaten Arbeitsvermittler geben hierauf schon eine Antwort: Den Chancenarmen müsste man mit Fortbildungskursen und Lohnkostenzuschüssen helfen. Kurse, Zuschüsse? Klingt vertraut. Nach Arbeitsmarktpolitik eben. Was Besseres für die Problemfälle ist offenbar nicht leicht zu finden – auch von den Privaten nicht. Arbeitsmarktpolitik ist halt ein trockenes Geschäft und keine Hitparade.

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