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Im Rausch alltäglicher Betriebsamkeit

Punkfrauen, Wirrköpfe und Paare im Disput: Momente zwischen Menschen im Episodenfilm „Giravolte“ (Forum)

Vielleicht war die Hauptstadt der Lebensentwürfe, die man in den Sixties Pop nannte, gar nicht London, sondern Rom. Davon bekommt man eine Ahnung, wenn man Marcello Mastroianni in Fellinis „La Dolce Vita“ sieht oder die kargen neonleuchtenden Bars in frühen Pasolini-Filmen. Ganz gewiss aber war Italien in den 70er-Jahren Inbegriff der Gegenkultur, war das Land, in dem sich Drogenanarchismus, kleinbürgerliches Aussteigertum und das städtische Subproletariat vermischten.

Das ist auch die Folie für Carola Spadonis „Giravolte“. Obwohl im Rom der Jahrtausendwende angesiedelt, werden hier alle Register der Soziabilität gezogen – vom gescheiterten Intellektuellen, der unter Brücken kampiert, bis hin zu autonomen Punkfrauen, die auf Flohmärkten mit ergrauten Linken über Wilhelm Reich und niederländische Science-Fiction räsonieren.

Zusammengehalten wird der urbane Reigen durch den etwa fünfzigjährigen Victor (Victor Cavallo). Er lebt als Tagedieb einigermaßen vergnügt auf der Straße und verteilt Flugblätter, mit denen er die Wahl des Bürgermeisters persifliert. Sein Idol ist Fausto Coppi, der legendäre Giro-Fahrer aus den 50er-Jahren, seine Zuversicht zieht Victor aus der Tatsache, dass man mit Humor die Zeit besser totschlägt als mit Lohnarbeit. Seine Begegnungen mit Prostituierten, Wirrköpfen und Streifenpolizisten hat Spadoni zu Episoden montiert, aus denen sich viel lernen lässt über die Bedingungen im heutigen Italien, das im Film weit weg ist von der gelackten Disziplinargesellschaft eines Berlusconi.

Spadoni mag die Unordnung, die entsteht, wenn individuelle Schicksale plötzlich in das Leben von anderen hineinlappen. Ein junger Mann will sich umbringen, springt in den Tiber und wird von seiner Freundin gerettet. Aus dieser Situation entwickelt sich ein minutenlanger Disput, bei dem sich die beiden prügeln, kurz Rotz und Wasser heulen und dann wieder vertragen. Man gehört zusammen, der Rest findet sich. Auch sonst ist „Giravolte“, auf Deutsch „Drehungen“, eine Abfolge aus Momenten zwischen Menschen: Alle quatschen durcheinander, fauchen sich an, plustern sich auf und können sich doch auf die Freundschaft verlassen, die sie selbst im Zorn noch verbindet.

Das ist ein komplett anderes Modell als die entfremdete Fratze der Globalisierung, die man auf der Berlinale so häufig in Filmen antrifft. Ständig scheint bei Spadoni die ganze Welt wie im Rausch der alltäglichen Betriebsamkeit zu tanzen, die Kamera immer mittendrin. Wie leicht aus der Begeisterung politischer Widerstand werden kann, merkt man an einem zweiten Projekt, an dem die junge Regisseurin beteiligt war: Spadoni gehörte zum 33-köpfigen Filmkollektiv, das die Dokumentation über die Genua-Demonstrationen letztes Jahr gedreht hat. HARALD FRICKE

„Giravolte“. Regie: Carola Spadoni. Italien 2001, 78 Min.

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