Kein vernünftiges Wort von Otto Schily

EU-Innenminister beraten Flüchtlingsrichtlinie. Über Gesamtpaket wird erst nach den Bundestagswahlen entschieden

BRÜSSEL taz ■ Wenn die Innen- und Justizminister der Union heute am Jakobsweg im Pilgerort Santiago de Compostela zusammensitzen, dann beschäftigen sie sich nicht mit christlicher Nächstenliebe – eher im Gegenteil. Der für Migration zuständige EU-Kommissar Antonio Vitorino soll erläutern, wie sich seine Generaldirektion die Gemeinschaftspolitik gegen illegale Einwanderung vorstellt.

Vitorino hat in seinem Job eine Menge Frust. Er ist überzeugt, dass nur ein Gesamtpaket dem Problemgemisch aus Asylmissbrauch, Wirtschaftsflucht, Arbeitskräftebedarf und Menschenhandel beikommen kann. Deshalb hat er in den vergangenen zwei Jahren 16 Mitteilungen und Richtlinienentwürfe vorgelegt. Doch stieß er damit bei den Innen- und Justizministern auf taube Ohren. Vor allem Bundesinnenminister Otto Schily hatte den EU-Kommissar stets in Verdacht, das deutsche Asylgesetz und die Drittstaatenregelung aushöhlen zu wollen.

Seit dem 11. September steht die „Festung Europa“ noch höher im Kurs als zuvor. Deshalb ist es kein Zufall, dass heute ein Kommissionsvorschlag zur illegalen Einwanderung auf der Tagesordnung steht. Die Minister werden besprechen, wie sie den Datenaustausch an den Schengen-Grenzen und die polizeiliche Zusammenarbeit verbessern, die Grenzkontrollen und das Ausländerrecht verschärfen und die Abschiebepolitik verstärken können. Ein Kuckucksei hat der Kommissar den Ministern aber noch rasch mit auf den Tisch gelegt: eine Richtlinie, nach der Opfer von Menschenhändlern eine Aufenthaltsberechtigung erhalten sollen, wenn sie mit den Behörden zusammenarbeiten.

Das Ursprungspaket zur Migrationspolitik, in dem Asylverfahren, Familienzusammenführung, Aufenthaltsstatus und -bedingungen geregelt werden sollen, hat der Rat an den EU-Kommissar zurückgeschickt. Er soll es verschärfen, lautet der Auftrag der Minister.

Frühestens Ende April will die EU-Kommission das Paket neu vorlegen. Im Rat soll es Ende September auf die Tagesordnung kommen. Ein Zeitplan, so wird in der Umgebung des Kommissars eingeräumt, der auf die innenpolitische Lage in Deutschland Rücksicht nimmt. Vor der Bundestagswahl, da ist man in Brüssel sicher, ist mit den Deutschen beim Thema Asyl kein vernünftiges Wort mehr möglich.

DANIELA WEINGÄRTNER