: Behindertenwitze in der Company
■ Das Spiel im Spiel „So ein Theater“ der Gruppe „Pschyrembel“ feierte am Mittwoch nach 14 Monaten erschwerten Proben endlich Premiere im Theater am Leibnizplatz
Darf man über Behinderte lachen? Richtig laut, dass einem Tränen in die Augen schießen? Und die? Dürfen die sich selbst ausstellen auf einer Bühne, sich dabei selbst bezeichnen als „ethische Verschlampung“, als „künstlerisch dazu da, den Abfall runterzutragen“?
Im Falle der Inszenierung „So ein Theater“ der Gruppe „Pschyrembel“, die gestern in der Shakespeare Company Premiere hatte, lässt sich da nur laut „Ja!“ rufen. Bei aller echten und vorgetäuschten Correctness: Man kommt ums Lachen nicht herum. Nicht über die Behinderungen der Darsteller, die hat man nach fünf Minuten eh vergessen, sondern eine grandios-komische Geschichte, in der eine Theatergruppe voller skurriler Typen fast am eigenen Anspruch scheitert.
Eine gelungene Inszenierung? „Da muss der Anfang knallen. Lange Treppe, affengeiles Licht und dann: Der Star, im Glitzerfummel und mit Handschuhen bis zu den Achseln“. Julchen (Nadine Urbons) macht sich Gedanken zum eigenen glanzvollen Einsatz.
Gardi alias Anke Walter ist das schnurz, ging es ihr doch vorrangig darum, bei den Theaterproben Mr. Perfect zu treffen – mit „mehr Erotik im kleinen Finger als alle Klugscheißer-Schwänze dieser Gruppe zusammen“. Pustekuchen – „macht Sie etwa einer dieser Stockfische an?“ fragt sie genervt ins Publikum.
Der 14-monatige Probenprozess der Gruppe „Pschyrembel“ unter der Leitung von Regisseur Rudolph Höhn stand unter keinem guten Stern: krankheitsbedingte Ausfälle en masse und oftmals nicht finanzierbare Taxifahrten einzelner Akteure zur Shakespeare Company setzten dem Projekt zu. (siehe taz vom 11.2.). Konsequent karikiert man in „So ein Theater“ diese erschwerten Rahmenbedingungen. „Pschyrembel“ spielen ein biss-chen sich selbst, zeigen ein Stück Theater einer Theatergruppe, die versucht, ein Theaterstück zu inszenieren. Zum Inhalt:
Es ist schier zum Verzweifeln für den stümperhaften Regisseur Addi Paulsen (Thomas Zinke). Da ackert man jahrelang als Regieassistent im Provinznest Braunbühl, auf der Suche nach dem, was die Theaterwelt im Innersten zusammenhält, um dann mit einem zerstrittenen Ensemble voller egomanischer Stümper kurz vor der künstlerischen Havarie zu stehen. Die Premiere läuft, doch weiß man immer noch nicht, was man denn eigentlich spielen will ...
Da müssen seine Darsteller retten, was zu retten ist, das Publikum bei der Stange halten mit einer Art öffentlichen Probe. Zunächst wird sich meditativ aufgewärmt, der „Übung im Raum“ folgen chorale Sprechübungen (“Ottos Mops kotzt“). Doch bevor von Julchen und Dieter Bohn alias McBrain in Gummihandschuhen zu allem Übel noch der „Urologen-Sketch“ zum Besten gegeben wird, beisst man notgedrungen in den „sauren Apfel Deutsche Klassik“. Und gibt eine höchst amüsante Kurzversion vom Sieg der Franzosen über die Engländer aus Schillers „Jungfrau von Orleans“.
Das kleine Podest auf der Bühnenmitte wird zur Festung, es geht im Kriegsspiel ordentlich lärmend zur Sache. Schließlich besiegt Johanna alias Martina Reicksmann im Schwertkampf Talbot (Klaus Schmöcker), der auf seinem dreirädrigen roten Shopper von der Bühne geschoben wird.
Kurz darauf fährt er aber wieder quicklebendig zum „Walkürenritt“ über die Bühne, um zu verkünden, dass des Regisseurs Umgang mit Schiller „schwerste Flurschäden in seiner defizilen Seele verursacht“ habe.
Am Ende sind die Figuren denn doch alle zufrieden: Julchen kriegt ihren Glanzauftritt im großen Stil, Martina darf als vorgezogene Zugabe Poetisches von Dylan Thomas vortragen, und mit Shakespeares doppeldeutigem Satz „Ich dacht, dies alles sei nur Traum“ als Schlußpointe geben sich alle zufrieden. Für das komische Talent der SchauspielerInnen gab's donnernden Applaus.
Roland Rödermund
„So ein Theater“ läuft heute Abend sowie am 15., 30. und 31. März. Karten: Tel.: 500 333
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