: Arbeitsämter: Erneuerung von innen soll es bringen
Jagoda bleibt im Amt, obwohl nur 30 Prozent der Vermittlungen in den Arbeitsämtern korrekt sind. Arbeitsminister Riester: Er macht seine Arbeit gern
BERLIN taz ■ Der große Knall blieb aus. Der Chef der Bundesanstalt für Arbeit (BA), Bernhard Jagoda, tritt nicht zurück. Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) sagte gestern, Jagoda habe ihm in einem Gespräch erklärt, „dass er die Arbeit gern macht und nicht vorhat zurückzutreten“. Riester kündigte jedoch Veränderungen innerhalb der BA an. Der Reformprozess der BA müsse „mit Hochdruck“ vorangetrieben werden.
Zuvor hatte Riester über das Ergebnis der Überprüfung weiterer Arbeitsämter berichtet. Bei der Durchforstung der Vermittlungsstatistiken von nun insgesamt 15 Arbeitsämtern durch die Innenrevision der BA und Prüfer des Rechnungshofes kamen die Experten zu dem Schluss, dass tatsächlich nur 30 Prozent der Vermittlungen korrekt verbucht wurden, erklärte Riesters parlamentarischer Staatssekretär Gerd Andres. Bei weiteren 33 Prozent sei es strittig, ob man die Buchungen tatsächlich als „Vermittlung“ definieren könne. Bei 37 Prozent habe es jedoch die „Übereinstimmung“ gegeben, dass eine Vermittlung „nicht stattgefunden“ habe. Die Zahlen könne man insgesamt auf das Bundesgebiet hochrechnen, erklärte Riester. Er sagte, bis Mitte nächster Woche lägen die Ergebnisse der Innenrevision endgültig vor. Dann müsse man noch einmal über die Verantwortlichkeiten sprechen
Der Minister betonte nach dem Treffen mit Jagoda, es müssten rasch Maßnahmen getroffen werden, um ein „ordentliches statistisches Verfahren zu gewährleisten“. Der Vorstand der BA hatte schon am Vortag erklärt, Mitarbeiter sollten weitergebildet werden, wie man künftig korrekt mit den Statistiken umgeht. Auch die EDV solle „manipulationsresistent“ gemacht werden.
Riester kündigte gestern an, dass die Vermittlung von Arbeitslosen auf allen Ebenen verbessert werden soll. Dazu müsse man in den Arbeitsämtern „personell umschichten“. Auch werde man verstärkt mit privaten Vermittlern zusammenarbeiten. Man könne sich auch überlegen, bei schwer Vermittelbaren möglicherweise nicht erst nach sechs Monaten, sondern schon früher einen Rechtsanspruch auf private Vermittlungen einsetzen zu lassen.
Der Minister sagte weiter, man werde auch prüfen, für BA-Mitarbeiter Anreize für die Vermittlung zu schaffen. Dabei müsse man aber differenzierte Messgrößen einsetzen. Die Vermittlung eines 50-jährigen niedrig qualifizierten Schwerbehinderten sei nun mal eine andere Leistung als die Vermittlung eines 30-jährigen Facharbeiters mit Berufsausbildung.
Im Rahmen der angekündigten „Vermittlungsoffensive“ will die BA jetzt eine „Lenkungsgruppe“ zusammenstellen, die sowohl die Vermittlungen als auch deren statistische Auswertung überwacht.
Zur Bundesanstalt für Arbeit gehören etwa 90.000 Beschäftigte, die in rund 180 Arbeitsämtern, zehn Landesarbeitsämtern und der Hauptstelle in Nürnberg tätig sind. Nur ein Zehntel der Mitarbeiter ist in der Vermittlung beschäftigt – ein Umstand, der jetzt heftig kritisiert wurde.
Der Bundesrechnungshof hatte bei einer Prüfung der Vermittlungsstatistiken vor einigen Wochen entdeckt, dass viele angebliche Jobvermittlungen über die Arbeitsämter gar keine wirklichen Stellenvermittlungen waren: Mitunter hatten die Arbeitsämter nur über das öffentlich zugängliche Computersystem Stellen angeboten und diese dann als „Vermittlung“ verbucht, wenn das Unternehmen eine Besetzung der Stelle meldete. Der Rechnungshof kam zu dem Schluss, dass etwa 70 Prozent der so genannten Vermittlungen gar keine seien. Daraufhin wurde von mehreren Politikern der Rücktritt von BA-Präsident Bernhard Jagoda gefordert.
BARBARA DRIBBUSCH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen