: Kein Junkie im Amt
Haarprobe ergibt: Innensenator Ronald Schill kokst nicht regelmäßig ■ Von Peter Ahrens
Staatsrat Walter Wellinghausen schlüpft noch einmal in die Rolle des Verteidigers. Wie ein Anwalt und sein Mandant sitzen Wellinghausen und Innensenator Ronald Schill nebeneinander vor der Presse, und der Verteidiger macht die Einlassungen zur Sache: Der Haartest der Münchener Gerichtsmedizin habe keinerlei Hinweise auf Drogen ergeben, „selbst ein gelegentlicher Konsum von Kokain ist unwahrscheinlich“, verliest Wellinghausen. Für das Leitungs-Duo der Innenbehörde ist das Thema damit erledigt: „Den Gerüchtemachern ist das Spielzeug Kokain damit aus der Hand geschlagen“, ist Schill überzeugt. Die Staatsanwaltschaft sieht das anders: Sie hat nach Vernehmung des Belastungszeugen, den das NDR-Fernsehmagazin „Panorama“ präsentiert hatte, ges-tern offiziell Ermittlungen aufgenommen – gegen Schill.
Das Institut hatte sich eine Woche Zeit gelassen, um das 16 Zentimeter lange Haarbüschel, das laut Schill von seinem Hinterkopf stammt, zu untersuchen. Man habe gar einen zehnmal strengeren Maßstab an den Nachweis von Kokain angelegt als international üblich, rühmt Wellinghausen und resümiert: „Damit steht fest, dass die Gerüchte nicht den Tatsachen entsprechen.“ Schill selbst wiederholt seine „Schmutzkampagnen“-Vorwürfe gegen die „Urheber“, ohne Namen zu nennen. Und lässt durchblicken, dass er vor allem die SPD meint, die er auffordert, „jetzt zur Sacharbeit zurückzukehren: Nur so kann die Opposition wieder an die Macht zurückkommen.“
Die Aussagekraft der Haarprobe war im Vorfeld allerdings selbst vom durchführenden Toxikologen Prof. Hans Sachs in Frage gestellt worden. Auch sein Frankfurter Kollege Gerold Kauert betonte, dass „nur relevanter Drogenkonsum nachgewiesen werden kann, so bei einem Menschen, der jedes Wochenende Drogen nimmt“. Ähnlich hatte sich auch der Leiter des Institutes für pharmazeutische Forschung in Nürnberg, Prof. Fritz Sörgel, geäußert.
Der Senator ignoriert diese Fach-Stimmen souverän und hat stattdessen Strafanzeige gegen den Panorama-Zeugen erstattet. Er nennt dabei auch erstmals den Namen des Barmbek-Uhlenhorster Ortsvorsitzenden der Schill-Partei Marcel Hartung, den er hinter dem anonymen Zeugen vermutet. Dass jetzt gleichzeitig die Staatsanwaltschaft gegen Schill und Hartung ermittelt, hält Wellinghausen „für die natürlichste Sache der Welt“. Das gehöre zu einem ordentlichen Verfahren dazu, kommentiert er.
Rückendeckung erhält der Innensenator wie gehabt von den Senatsparteien. CDU-Bürgermeister Ole von Beust erklärt, er habe „nie an der Aussage des Innensenators gezweifelt“, Schill-Fraktionschef Norbert Frühauf fordert SPD und GAL gar auf, „das Thema Gerüchte um den Innensenator mit einer offiziellen Stellungnahme für beendet zu erklären“. SPD-Fraktionschef Uwe Grund gibt zwar bissig zurück, dass „Herr Schill und seine Leute noch nicht bestimmen, wie wir Opposition machen“, aber seine offizielle Erklärung lautet staatstragend: „Gut, dass nichts anderes herausgekommen ist. Jedes andere Ergebnis hätte der Stadt irreparablen Schaden gebracht.“
Weitere Berichte S. 2 und S. 8
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen