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Einer der skurrilsten Nachlässe der Gegend

■ Von drastischen Kürzungen bedroht: Seit 1995 zeigt Itzehoe in einem eigens gegründeten Museum Hochhausvisionen des Künstlers Wenzel Hablik

Keksdosen in Form des Saturn, Entwürfe einer kris-tallin anmutenden Architektur, Stoffmuster mit mäandernden Wismut-Strukturen: Einer der skurrilsten Künstlernachlässe der norddeutschen Kulturlandschaft liegt in Itzehoe, 50 Kilometer nördlich von Hamburg.

1907 hatte es den in Wien ausgebildeten deutsch-böhmischen Künstler Wenzel Hablik in das Städtchen an der Stör verschlagen. Die Kunst geht nach Brot: In Itzehoe fand das junge Multitalent Mäzene und auch die Frau fürs Leben – die Weberin Elisabeth Lindemann. Hier entstand ein vielgestaltiges Werk, das von hochfliegenden Utopien bis zur perfekt durchgestylten Inneneinrichtung reicht. Im Letzteren liegt die eigentliche Leistung des Künstlers. Hablik starb 1934. Gut 50 Jahre später wurde der Nachlass der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, als 1995 mit großem Pomp gleich neben dem Itzehoer Rathaus das Wenzel-Hablik-Museum gegründet wurde. Zielstrebig ging Leiterin Elisabeth Fuchs-Belhamri daran, in Sonderschauen einzelne Facetten des Werks zu beleuchten und damit die ständige Ausstellung zu ergänzen. So wurden Habliks Eindrücke von seiner Orientreise im Jahr 1910, seine textilkünstlerischen Arbeiten oder seine „Traumwelten“ vorgestellt.

Nun sind inmitten von Habliks Möbeln, Stoffen und Kristallsammlungen seine Hochhausentwürfe zu sehen: Rund drei Dutzend Radierungen, Tuschzeichnungen und großformatige Gemälde werden in den Kontext anderer Architekturvisionen seiner Zeit gestellt, etwa von Hans Scharoun oder Hermann Finsterlin. Die zersplitterten Formen Habliks lassen an aktuelle Tendenzen in der Hochhausarchitektur denken, weisen jedoch in die Biographie des Künstlers zurück: Durch Kristallfunde in seiner böhmischen Heimat hatte Hablik bereits als Kind eine frühe Prägung erfahren.

Doch egal, ob zukunftsweisend oder nicht – bald könnte es mit dem Blick in die bizarren Phantasiewelten des Künstlers vorbei sein. Denn für das laufende Jahr hat die Stadt Itzehoe ihre Zuwendungen an das Museum um 80 Prozent gekürzt. Wie es im kommenden Jahr weitergeht, ist noch offen. Schon müssen im Hablik-Museum Sonderausstellungen zu Horst Janssen als Publikumsmagnet dienen. Und während man sich in Hamburg in gehypeten Präsentationen gegenseitig auf die Füße tritt, muss der einzigartige Itzehoer Bestand vielleicht bald komplett eingemottet werden. Dabei gilt für ihn, was auch für Habliks bizarre Kristallfunde zutrifft: Sie sind nicht immer schön, aber selten. Kai-Uwe Scholz

Di–Sa 14–18, So 11–18 Uhr, Führung: 24. März, 15 Uhr, Reichenstraße 21, Itzehoe; bis 16. Juni. Die Parallelausstellung Fotografien von Horst Janssenläuft bis zum 14. April

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