Kandidat gegen Rexrodt

Der FDP-Landeschef ruft das „Jahr der Inhalte“ aus. Doch nicht alle Liberalen sind glücklich mit dem „System Rexrodt“. Zur Wiederwahl muss er sich überraschend einem Gegenkandidaten stellen

von ROBIN ALEXANDER

Manche in der FDP lieben es, politische Vorgänge mit Bildern aus der Welt der Wirtschaft zu verdeutlichen. Den Parteitag, den die Berliner Liberalen am kommenden Wochenende veranstalten, könnte man vergleichen mit der Hauptversammlung eines Unternehmens nach dem erfolgreichsten Geschäftsjahr seiner Geschichte. Von 2,2 Prozent der Wählerstimmen auf 9,9. Vom verlachten Querulantenverein zur Beinaheregierungspartei. Mehr Boom war nie. Seltsam, dass sich dieses nahe liegende Bild niemandem in der FDP aufzudrängen scheint. Vielleicht, weil die Liberalen ahnen: Der Gipfel ist überschritten, jetzt könnte es bergab gehen.

Davon will Günter Rexrodt natürlich nichts wissen. In seiner Rede am Wochenende wird er vielmehr die Fortsetzung einer Erfolgsgeschichte beschreiben: „2000 war das Jahr der inneren Einigung. 2001 war das Jahr der gewonnen Wahlen. 2002 wird das Jahr der inhaltlichen Positionierung.“ Die Partei soll sich mit eigenen Ansätzen in den Bereichen Wirtschaft, Finanzen, Bildung und Verkehr Kompetenz erarbeiten, die ihr bisher in Berlin nicht zugeschrieben wird. Rexrodt bewirbt sich erneut um den Landesvorsitz.

Überraschend hat er jedoch einen Gegenkandidaten. Wie die taz erfuhr, wird der 50-jährige Rechtsanwalt Peter Landauer am Wochenende gegen Rexrodt antreten. „Ich will ein Signal für Transparenz setzten“, begründet Landauer seine Kandidatur. Die innerparteilichen Strukturen seien zu stark verfestigt, sagt Landauer, es habe sich ein Kreis um Rexrodt gebildet, der Entscheidungen allein treffe. Landauer redet von einem „Kartell“ und erinnert an liberale Grundsätze: „Wir brauchen Wettbewerb in unserer Partei genauso wie überall in der Gesellschaft.“ Bisher saß Landauer als Beisitzer im Landesvorstand. Inhaltlich, sagt er selbst, trenne ihn wenig vom wirtschaftsliberalen Rexrodt.

Eine Niederlage Rexrodts gegen diesen Gegenkandidaten gilt als sehr unwahrscheinlich. Spannend wird es bei der Aufstellung der Bundestagsliste. Platz eins geht an Rexrodt, darüber hinaus ist nur Platz zwei sicher. Markus Löning glaubt, hier die besten Chancen zu haben. Löning, früher bei den Grünen politisch aktiv, galt in der FDP lange als standpunktlos, hat aber in den Ampelverhandlungen eine gute Figur gemacht. Ebenfalls in den Bundestag will Hellmut Königshaus, der Justiziar des Landesverbands. Wie Löning gilt Königshaus als Rexrodt-Vertrauter, war gar in einem Ampelsenat als dessen Staatssekretär vorgesehen. Löning und Königshaus kommen nicht nur beide aus dem gleichen Bezirk, Steglitz, sondern streben dort ebenfalls beide die Direktkandidatur an.

Nicht mehr zum Machtzirkel der Berliner FDP gehört hingegen Carola von Braun. Die ehemalige Landesvorsitzende, die einst darüber stolperte, Friseurrechnungen aus der Fraktionskasse bezahlt zu haben, wird jedoch ebenfalls für Platz zwei auf der Liste kandidieren. Anders als ihre Gegenkandidaten gehört sie nicht zum in der Berliner FDP dominierenden wirtschaftsliberalen Flügel: „Ich stehe für die andere große liberale Tradition: Bürgerrechte, Bildungspolitik und Gleichstellung.“ Löning und Königshaus sind sicher, dass sie das Rennen unter sich ausmachen werden. Von Braun jedoch kämpft. Ein Drittel der Delegierten ist aus dem Ostteil der Stadt, ihr Abstimmungsverhalten sei schwer kalkulierbar. Zudem sei durch den neuen Zuschnitt der Bezirke ein Anteil von 20 Prozent der Teilnehmer überhaupt zum ersten Mal auf einem Parteitag und durch eine gute Rede vielleicht zu gewinnen. Namentlich der Jurist Königshaus gilt als schlechter Redner.

Exzesse der gegenseitigen Demontage, wie noch vor wenigen Jahren bei der FDP immer möglich, wird es auf diesem Parteitag nicht geben. Problematischer für die Außendarstellung der Liberalen wird die Arbeit der Abgeordnetenhausfraktion. Die 15 Abgeordneten gelten, mit Ausnahmen, als wenig qualifiziert. Dies werde nach dem Weggang Rexrodts als Fraktionsvorsitzenden kaum noch zu verbergen sein, prophezeien besorgte Liberale.

In der Tat: Schon in der ersten Sitzung ohne Rexrodt verabschiedete die Fraktion einen Antrag auf Errichtung eines Denkmals für den umstrittenen rechtssozialdemokraten Gustav Noske und erntete dafür in der Stadt Hohn und Spott. Noch spricht Rexrodt nachsichtig von einem „Anfängerfehler“: „Mit Ironie kann man keine Politik machen.“

Der neue Fraktionschef, Martin Lindner, hat selbst keine parlamentarische Erfahrung. Die haben nur drei FDP-Abgeordnete: Einer war mal für die CDU im Parlament, zwei werden den so genannten Nationalliberalen zugerechnet. Lindner gibt sich selbstbewusst. Er kann nur „infrastrukturelle Schwierigkeiten“ bei der Fraktionsarbeit sehen.