piwik no script img

„Das ist eine Frage der Verpackung“

Ulla-Schmidt-Berater Karl Lauterbach über Gesundheitspolitik im Wahlkampf und die Profil-Probleme der Union

taz: Herr Lauterbach, das Gesundheitssystem gilt als kaum mehr finanzierbar, alle Parteien glauben, dass es umgekrempelt werden muss. Wird Gesundheitspolitik ein Wahlkampfschlager?

Karl Lauterbach: Die Wahlkämpfer haben ein Problem: Es gibt mehr Konsens der großen Parteien in der Gesundheitspolitik, als allgemein angenommen wird. Zum Beispiel sind sich alle einig, dass in die Prävention, die Vorbeugung etwa gegen Schlaganfälle, mehr investiert werden muss.

Die Vorwürfe der Union klingen nicht so sehr nach Konsens: Stückwerk, Konzeptlosigkeit, die SPD-Ministerin Ulla Schmidt doktere am System nur halbherzig herum …

Die Ministerin hat erkannt, dass 2003 eine große Gesundheitsreform fällig ist. Die Eckpunkte davon hat sie bereits vorgestellt: Verzahnung der stationären und ambulanten Behandlung, mehr Vertragsfreiheit zwischen Ärzten und Kassen und Stärkung des Wettbewerbs. Bis zur Wahl wird sie versuchen, ihre Pläne abzurunden.

Aber das sind doch alles so schwierige Worte. Wie will die SPD damit Herzen und Stimmen gewinnen?

Das ist eine Frage der Verpackung. Der Bürger begreift sofort solche Formulierungen wie „Zerschlagung der Kartelle im Gesundheitssystem“, um hier die Ablösung des Vertragsmonopols der Kassenärztlichen Vereinigungen anzusprechen. Oder „Mehr Wettbewerb der Ärzte“, was die Experten mit Auflösung des Kontrahierungszwangs bezeichnen. Hier muss die Rhetorik natürlich den Bedürfnissen des Wahlkampfs angepasst werden.

Dissens gibt es aber auch in einem ganz entscheidenden Punkt: Die Union fordert eine Zerschlagung des Leistungskatalogs der Krankenkassen.

Die Union zeigt es nicht, aber sie ist sich in diesem Punkt überhaupt nicht einig. Man trägt die Forderung nach Aufteilung in Grund- und Wahlleistungen relativ zurückhaltend vor, weil diese Maßnahme intern sehr kontrovers diskutiert wird. Ich glaube also, dass es zu wenig interne Rückendeckung dafür gibt, um hier ein scharfes Profil im Wahlkampf zeigen zu können.

Womit wird die Union dann punkten können?

Jedenfalls nicht damit, dass sie fordert, den Anspruch aller Versicherten auf das medizinisch Mögliche abzuschaffen – das hat die Union schon im letzten Wahlkampf zu spüren bekommen. Aber es gibt auch inhaltliche Argumente gegen die Zerschlagung des Leistungskatalogs. Die Wahlleistungen würden ohnehin nur von den Versicherten abgewählt, die sie nicht in Anspruch nehmen würden. Damit fließt weniger statt mehr Geld in die Kassen der Gesetzlichen Krankenversicherung. Statt also Geld zu sparen, würden nur die 20 Prozent der chronisch kranken Patienten mehr belastet, die 80 Prozent der Kosten verursachen: die können nichts abwählen.

Trägt denn zur Verstärkung der Einnahmen der Vorschlag der Ministerin bei, die Versicherungspflichtgrenze anzuheben und dadurch vielen Gutverdienenden die Möglichkeit wegzunehmen, in die Private Krankenversicherung abzuwandern?

Die Möglichkeit, durch diese Maßnahme die Kassen zu entlasten, wird zur Zeit geprüft. Darüber hinaus hat der Sachverständigenrat im Gesundheitswesen vorgeschlagen, bei der Berechnung der Kassenbeiträge mehr als nur das Lohneinkommen zu Grunde zu legen und die Gutverdienenden stärker zu belasten. Das halte ich für eine sinnvolle Maßnahme, wenn die Lohnquote sinkt. INTERVIEW:

ULRIKE WINKELMANN

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen