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Kirchs Kaufmannsladen

Leo Kirch mischt seit rund fünfzig Jahren im Mediengeschäft mit. 1953 bringt er seine erste Spielfilmlizenz in Spanien unter Dach und Fach. Geld ist noch keins da: Man reist im eigenen Auto, in dem auch geschlafen wird. 1955 wird die erste Firma, die Sirius-Film GmbH, gegründet. 1956 erwirbt Kirch die deutschen Verwertungsrechte an italienischen Kinofilmen wie Fellinis „La Strada“. Das Geld für den ersten bescheidenen Erfolg schießt unter anderem sein Schwiegervater zu. 1959 kauft Kirch erstmals in den USA ein. Von den vierhundert Filmen des Hollywoodstudios UA/Warner Brothers will die ARD aber nur rund siebzig Streifen abnehmen. Die Stammfirma Beta wird ins Handelsregister eingetragen. Ihr Unternehmenszweck: „Alle in der Filmbranche und auf dem Gebiet des Fernsehens vorkommenden Geschäfte.“

1960 versucht der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer mit der „Deutschland Fernsehen GmbH“ einen regierungsfreundlichen zweiten TV-Kanal zu etablieren. Kirch steht als Programmlieferant bereit, doch das Bundesverfassungsgericht stoppt den Kanzlersender. Stattdessen geht 1963 das ZDF an den Start. Kirch liefert auch hier und gründet dazu die Taurus-Film. Ab 1973 ermittelt der Landesrechnungshof Rheinland-Pfalz wegen seines großen Einflusses beim ZDF. 1976 sorgt der Stern für den ersten Kirch-Skandal: „ZDF im Würgegriff?“

1976 will der Axel-Springer-Verlag ins Fernsehgeschäft einsteigen und kauft zweihundert Filme bei Kirch. 1984 folgt die Krise: Zwar ist mittlerweile die Einführung des Privatfernsehens durch die Kohl-Regierung beschlossen. Doch der Springer-Kirch-Deal wird rückgängig gemacht, der Verleger fühlt sich betrogen. Im gleichen Jahre geht auch noch die ARD im Hollywoodgeschäft eigene Wege und kauft ein MGM-Filmpaket am Zwischenhändler Kirch vorbei ein.

1985 geht Springer an die Börse. Und wird wieder Fernsehpartner von Kirch: Beide beteiligen sich am eben gegründeten Sat.1. Aus strategischen Gründen darf Kirch zehn Prozent der Springer-Aktien übernehmen. Doch der will mehr und kauft über Strohmänner bis 1987 weitere sechzehn Prozent dazu. Erst 1992 einigt man sich, und Kirch darf in den Springer-Aufsichtsrat. Heute hält Kirch vierzig Prozent der Springer-Anteile.

Seit 1988 sendet ProSieben. Offiziell sitzt hier nicht Leo Kirch, sondern sein Sohn Thomas an der Spitze. 1997 übernimmt Kirch gegen den Willen von Springer die Führung bei Sat.1 – der neue Rundfunkstaatsvertrag macht’s möglich. Zu den von Kirch kontrollierten Sendern gehören jetzt auch Kabel 1 (1994) und das Deutsche Sportfernsehen (1993).

Apropos Sport: Seit 1992 läuft die Fussballbundesliga bei Sat.1. Die TV-Rechte liegen bei Kirch. 1996 kauft er auch die Weltmeisterschaften 2002 und 2006. Die Mehrheit an der Formel 1 hat der Kaufmann erst 2001 auf Umwegen zusammengekauft.

Im Pay-TV-Geschäft machen Kirch und Hauptkonkurrent Bertelsmann ab 1991 zunächst gemeinsame Sache. Premiere scheint ein Erfolg zu werden, doch dann stagnieren die Abozahlen. 1999 steigt Bertelsmann endgültig bei Premiere aus. Das Bezahlfernsehen wird für Kirch zur Verlustschleuder. Der internationale Medienzar Rupert Murdoch übernimmt ein Viertel der Premiere-Anteile. Der Haken: Wenn der Sender bis Herbst 2002 bestimmte Planzahlen verfehlt, muss Kirch Murdoch wieder auszahlen. Plus Zinsen. STG

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