Gegen das Unwissen

Werner Lehnert ist Erfinder. Er bringt Kindern und Jugendlichen die erneuerbaren Energien nahe. Schulbücher sind katastrophal. Das Wissen der Schüler über erneuerbare Energien ist oft dürftig

Wenn seine beiden Söhne aus der Schule erzählten, bekam Werner Lehnert zuweilen die Krise. Denn die Lehrer machten Experimente mit untauglichen Mitteln: „Die kramten dann einen Fahrraddynamo hervor, bastelten ein Wasserrad dazu, und wollten damit im Ernst die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien demonstrieren.“

Und das war nicht alles – erst recht überkam den Familienvater das Entsetzen, wenn er in die Schulbücher blickte: „Zum Teil sind die bis heute katastrophal.“ Deren Darstellung der Energietechnik vermittle oft „den Eindruck, Deutschland sei ein Entwicklungsland“. Entsprechend dürftig sei das Wissen von Lehrern und Schülern über erneuerbare Energien.

Die Folgen der veralteten Lehrmittel sind fatal. „Die Schüler bekommen den Eindruck, die regenerativen Energien ließen sich nicht wirklich nutzen – in Wahrheit ist nur das Material Schrott“, erregt sich Lehnert. Weil er aber immer schon ein Tüftler war, wollte er sich mit dieser misslichen Situation nicht abfinden – und begann vor nunmehr elf Jahren mit der Entwicklung moderner Anschauungsmaterialien für den Technikunterricht.

Heute betreibt der 52-Jährige im württembergischen Bad Rappenau eine Zweipersonenfirma, die Lehrmittel der Energietechnik entwickelt. So stattet er mit seinen Produkten unter anderem Baukästen von Fischer-Technik aus; ein neuer Solar-, Wind- und Wasserkraft-Kasten („Profi Eco Power“) ist vor wenigen Monaten auf den Markt gekommen. Außerdem verkauft er seine Entwicklungen im Versandgeschäft an Endkunden; sein Sortiment umfasst inzwischen beachtliche 1.300 Produkte rund um die moderne Energietechnik.

Werner Lehnerts Engagement hat Geschichte. Schon als Kind interessierte ihn sein Spielzeug auf besondere Weise: „Ich habe alles zerlegt, um zu schauen, wie es funktioniert – meine Eltern bekamen Zustände“, sagt er heute.

Das Hobby wurde Beruf. Lehnert wurde Maschinenbaumechaniker, studierte anschließend auch Maschinenbau, machte dann noch eine Ausbildung zum Elektroniker, ehe er in der Entwicklungsabteilung einer Autofirma anfing. Elektrofahrzeuge waren dort sein Metier, während er parallel dazu im Jahr 1990 mit dem Solarmodellbau anfing. Fünf Jahre blieb das Basteln Hobby, dann war die Zeit reif für die Selbstständigkeit. Lehnert gründete die Firma Lemo-Solar.

Natürlich hat Lehnert nicht nur Lehrmaterial, sondern auch Produkte für den Anwender im Sortiment. Ein faltbares Solarmodul etwa, das in kleiner Ausführung zum Laden von Handy-Akkus, in etwas größerer Variante für Laptops gedacht ist. Das Modul ist Lehnerts großer Stolz, nachdem er auf der Erfinder-Ausstellung in Nürnberg im vergangenen Herbst eine Goldmedaille dafür erhielt.

Sein zweiter Stolz – ebenfalls kürzlich ausgezeichnet – ist ein Solar-Nachführungssystem. Um mit Solarzellen bei jedem Sonnenstand optimale Erträge zu erzielen, dreht Lehnert die Module über eine kleine, solarversorgte Antriebseinheit stets mit der Sonne. Das funktioniert so effizient, dass Lehnert für die Nachführung einer Ein-Kilowatt-Anlage, wie sie gerade in Heilbronn errichtet wurde, nur 0,6 Watt benötigt. „Mit weniger als 0,1 Watt führe ich 150 bis 200 Kilogramm der Sonne nach“, so der Erfinder.

Effizienter Umgang mit der Energie ist für ihn stets das große Thema. Auf seinem Schreibtisch steht ein kleiner Propeller, der sich selbst an trüben Tagen dreht. Lehnert holt ein Messgerät heraus: Nur zwei Watt Sonnenlicht pro Quadratmeter kommen in diesem Moment im Zimmer an – und dennoch läuft der Motor ohne Probleme: „So muss man Jugendlichen die Sonnenenergie vermitteln.“ Dennoch verkauften selbst namhafte Elektronikversender noch heute „Solar-Motoren“ von derart schlechter Qualität, dass sie allenfalls bei voller Sonneneinstrahlung laufen. Da liegt der Schluss nicht fern, die Anbieter könnten nur eines im Sinn haben: zu belegen, dass es mit der Nutzung der Sonne doch nicht richtig klappt.

Und nicht allein die Solarzellen auf dem Markt sind häufig Ausschussware, sondern auch die angebotenen Motoren. Techniker Lehnert zeigt zwei kleine Motoren, jeder so groß wie eine Fingerkuppe; sie sind mit einer Stromleitung verbunden. „So müssen die Motoren sein“, sagt er und dreht langsam an einem der beiden Motoren, worauf auch der andere sich sofort zu drehen beginnt. „Ich nehme Glockenankermotoren“, erklärt Lehnert, „die brauchen nur eine Anlaufspannung von 0,1 Volt.“ Neu ist die Technik nicht: „Diese Motoren gibt es seit 30 Jahren.“ Nur kaum einer kennt sie.

Um die Defizite an den Schulen zu beheben, wünscht sich der kreative Erfinder mehr Interesse und Engagement vonseiten der Lehrer. Denn obwohl jeder Lehrplan den Pädagogen die Freiheit gibt, die erneuerbaren Energien ausgiebig zu behandeln, greifen nur wenige dieses spannende und zukunftsweisende Themenfeld auf – vermutlich, weil die Entwicklung oft an ihnen vorbeigegangen ist.

So ist auch Lehnert regelmäßig entsetzt, wie dürftig das Wissen über die Sonnenenergie an vielen Schulen ist. Einmal habe ein Gymnasium eine Solarzellenlieferung zurückgeschickt. Die Schule hatte die losen Zellen bestellt, um den Schülern zu zeigen, wie man sie verdrahtet und in Rahmen einbettet. Doch dem zuständigen Lehrer schienen die Zellen untauglich: Es sei an den Zellen nur ein Pol ersichtlich, reklamierte er – unwissend, dass stets die Rückseite des Siliziumplättchens den zweiten Pol bildet. Lehnert schlug die Hände überm Kopf zusammen – der Beschwerdeführer war Technik-Lehrer. BENWARD JANZING

Infos: www.lemo-solar.de