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Popenzoff in Polen

Ist der Erzbischof von Posen ein Sexualstraftäter? Eine Kommission des Vatikans untersucht den Fall

WARSCHAU taz ■ Polens Katholiken sind schockiert: Der Erzbischof von Poznan (Posen), Juliusz Paetz, soll Priester und Laien seiner Diözese über Jahre hin sexuell belästigt und missbraucht haben. Seit zwei Jahren, so enthüllte am Samstag die konservative Tageszeitung Rzeczpopolita, wusste die polnische Kirchenleitung von der „Schwäche“ des Erzbischofs. Geschehen sei nichts. Der Rektor des Posener Priesterseminar habe sich nicht anders zu helfen gewusst, als dem Erzbischof Hausverbot zu erteilen. Paetz soll immer wieder unerwartet in den Schlafzimmern angehender junger Priester aufgetaucht sein. Auch in Vier-Augen-Gesprächen soll der 67-Jährige zudringlich geworden sein.

Da weder der Episkopat, der Nuntius noch der Vatikan auf die Eingaben reagierten – der Papst schickte lediglich eine Untersuchungskommission nach Posen – gingen die Geistlichen schließlich an die Öffentlichkeit. Allerdings anonym: keines der Opfer wagte es, seinen Namen zu nennen. In der Vergangenheit hatten Beschwerden über sexuellen Missbrauch empfindliche Strafen nach sich gezogen. So wurde beispielsweise der Chefredakteur einer katholischen Zeitung in Posen nach Afrika auf Mission geschickt, andere wurden von einem Tag auf den anderen degradiert oder verzichteten „freiwillig“ auf eine weitere Karriere in der katholischen Kirche. Der päpstliche Nuntius in Warschau hatte die Beschwerdebriefe immer nach Posen zurückgeschickt – „zur Kenntnisnahme“.

Am Freitag haben nun 43 katholische Intellektuelle aus Posen, Warschau und Krakau den Erzbischof aufgefordert, sein Amt bis auf weiteres ruhen zu lassen. Vor sechs Jahren war Juliusz Paetz schon einmal in die Schlagzeilen geraten. Ende 1996 hatte die Gauck-Behörde in Berlin Stasiakten über Interna des Vatikan veröffentlicht. Der gesuchte „Spion im Vatikan“ sei ein Pole, schrieb damals Jerzy Urban, der letzte kommunistische Regierungssprecher Polens. In seinem Wochenblatt Nie (Nein) enthüllte er auch den Namen: „Erzbischof P.“ – für jedermann erkennbar der gerade erst zum Erzbischof von Posen ernannte Juliusz Paetz. Als der Skandal hochkochte, fuhr der Erzbischof in Urlaub. Das Thema verschwand aus den Schlagzeilen.

Diesmal ist der Erzbischof „unpässlich“, wie sein Sprecher erklärte, und kann sich zu den Vorwürfen nicht äußern. Bekannt wurde nur, dass er sich „missverstanden“ fühle und hinter den Vorwürfen eine “gezielte Kampagne“ vermute.

GABRIELE LESSER

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