: Kommunikation mit Grenzen
■ Kulturbehörde fordert vom Kammerspiel-Intendanten Liste jüdischer Kulturgüter
Die Diskussion ist symptomatisch für den vergeblichen Kommunikationsversuch zwischen Pragmatikern und Künstlern: Während die einen auf die juristische Wasserdichte ihres Unterfangens pochen, fühlen sich die anderen miss-achtet und missverstanden. Und beginnen über Ästhetik zu diskutieren – eine ewigkeitstaugliche Debatte, entfacht anhand des vom Kammerspiel-Erbpächter Jürgen Hunke begonnenen Umbaus des Hauses. Denn wie soll man – wie Intendant Ulrich Waller es derzeit versucht – atmosphärisches Unbehagen an konkreten Details wie dem historischen Dielenboden festmachen, wenn alle Baumaßnahmen vom Denkmalschutz abgesegnet sind? Wie andererseits auf die städtische Verantwortung für das historische Gebäude hinweisen, wenn die Kulturbehörde froh ist, dass Hunke saniert?
Ideen, die schwer zu vermitteln sind in einer Diskussion, die auch dadurch nicht an Substanz gewonnen hat, dass die Kulturbehörde Ulrich Waller jetzt aufforderte, eine Liste des durch die Umbauten beschädigten oder verschwundenen jüdischen Kulturguts zu erstellen, als handele es sich um einen akuten Fall von Kunstraub. „Dieser Kulturbegriff greift zu kurz“, sagt Waller. „Hier geht es doch um die Frage, ob ein Gebäude, das Geschichte repräsentiert, als Ganzes schüt-zenswert ist. Denn dieses Haus erinnert nicht nur an jüdische Schicksale, sondern ist auch Ort deutscher und europäischer Theatergeschichte. Und indem man den Charakter des Gebäudes gravierend verändert, geht ein Stück Geschichte verloren.“ Und als Ganzes seien die Kammerspiele leider nicht denkmalgeschützt.
Details werden jedoch geschützt – und sei es eher mittelfristig: So bekam Hunke, der für die 40jährige Laufzeit seines Pachtvertrags „Eigentümer auf Zeit“ ist, die Auflage, den Holzfußboden im Logensaal nicht irreversibel mit Estrich zu versiegeln. Er musste eine Zwischenschicht einfügen – „für den Fall, dass irgendwann in 100 Jahren mal jemand an den Boden will“, erläutert Hunke.
Darüber, ob er ein Theater Wallerschen Formats auch über dessen Vertragsende im Juni 2003 hinaus anstrebt, äußert sich Hunke nur vage: „Ein Kabarett will ich nicht. Hier soll weiterhin schönes Sprechtheater stattfinden.“ Und an Wallers künstlerischer Arbeit habe er nichts auszusetzen – „obwohl ich manche Produktionen zu teuer finde.“ Auch in puncto Gastronomie gibt sich Hunke bescheiden: „Ich will hier ein Studentencafe, einen kleinen Treff, weiter nichts.“ Und an einen Ausbau des Foyers im Obergeschoss, der das Theater, wie Waller fürchtet, mehrere Betriebsräume kosten könnte, hat Hunke, sagt er, nie gedacht: „Das Foyer im ersten Stock bleibt, wie es ist.“
Was folgt: ein für heute geplantes Gespräch Wallers mit dem Kulturausschuss-Vorsitzenden Willfried Maier (GAL), der im Vorfeld kein Urteil abgeben will. „Ich möchte erst prüfen, wie dramatisch die Lage ist.“ Petra Schellen
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