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Platz im Haus und Herzen

Eltern auf Zeit gesucht: Der Verein Pfiff vermittelt Pflegeeltern und Paten  ■ Von Annette Kohlmüller

Pflegeeltern sind Eltern und doch keine Eltern. Sie müssen damit leben, Familie auf Zeit zu spielen und jederzeit bereit sein, die ihnen anvertrauten Kinder wieder abzugeben. „Egal ob man ein Kind drei Wochen, sechs Monate oder mehrere Jahre betreut, es fließt immer Herzblut, wenn man sich trennt“, sagt Christine Brehmer, Mutter zweier eigener und Pflegemutter der zehn Monate alten Juliane. Wer sich für ein Pflegekind entscheidet, muss mit Verhaltensauffälligkeiten und Behinderungen umgehen können und das eigene Verhalten immer wieder reflektieren.

„Wichtiger als die Höhe des Einkommens oder die Größe der Wohnung ist, dass das Kind und Pflegeeltern zueinander passen“, betont Monika Krumbholz, Geschäftsführerin von PFIFF e.V. Seit elf Jahren vermittelt und berät der Verein Pflegefamilien, bietet Vorträge, Supervision und Weiterbildungen an und betreibt rege Öffentlichkeitsarbeit. Dabei arbeiten die dreizehn MitarbeiterInnen eng mit den Bezirksjugendämtern zusammen, die letztendlich über die Unterbringung der Kinder entscheiden.

„Wir vermitteln nicht nur klassische Vater-Mutter-Kind-Familien“, sondern ganz bewusst auch Menschen, die alleine oder in Wohngemeinschaften leben“, sagt Krumbholz. Zwei lesbische Paare und mehrere alleinerziehende Mütter seien bereits unter Vertrag. Männer und schwule Paare sind bisher die Ausnahme. „Leider“ sagt Krumbholz, denn gerade ältere Jungen kämen mit Pflegevätern oft besonders gut zurecht.

Etwa 300 Kinder wurden im vergangenen Jahr zur Dauerpflege vermittelt, davon etwa 120 an Familien außerhalb Hamburgs. 23 Kinder kamen in Kurzpflege, 11 in Bereitschaftspflege, 4 Kinder in Wochenpflege, d.h. sie leben nur unter der Woche bei den Pflegeeltern. Insgesamt sind in Hamburg mehr als 1000 Kinder in Pflegefamilien untergebracht, doppelt so viele in Heimen oder Wohngruppen. Vermittelt werden Jungen und Mädchen gleichermaßen, die meisten bis zum Alter von neun Jahren. Für ältere Kinder fänden sich nur selten geeignete Betreuungspersonen.

Die Gründe, warum Kinder für einige Tage, Wochen oder Jahre ihre leiblichen Eltern verlassen müssen, sind vielfältig: Misshandlungen, Drogensucht, Armut, schwere Erkrankungen oder Ehekrisen. „Dadurch, dass immer weniger Verwandte oder Nachbarn in Krisenfällen einspringen, brauchen wir professionelle Helfer“, berichtet Krumbholz: „Bereitschaftspflegeeltern, die Kinder kurzfristig bis zu sechs Monaten beherbergen, sind dringend gesucht.“ Doch für diese Form der Betreuung ist der finanzielle Ausgleich gering: Etwa 600 Euro monatlich bekommen Eltern für jedes betreute Kind, 300 Euro für die Zeit, in der sie auf Abruf warten. Nicht viel, wenn man bedenkt, dass mindestens ein Elternteil nicht berufstätig sein darf, um sich ausreichend um das Pflegekind kümmern zu können. Pfiff fordert deshalb seit langem eine bessere Bezahlung für Pflegeeltern.

Wer helfen, sich aber nicht täglich um ein Kind sorgen will, hat die Möglichkeit, eine Patenschaft für Kinder psychisch kranker oder sehr junger Eltern zu übernehmen. Das seit knapp einem Jahr von PFIFF initiierte, bundesweit einmalige Projekt sieht vor, dass die Kinder zu Hause wohnen bleiben, aber stundenweise und in Krisenfällen von ihren Pateneltern betreut werden. „Man muss sich im Klaren sein, dass man eine Art Dreiecksverhältnis eingeht“, berichtet Christine Schmidt, eine ehemalige Patin. Da sie selbst noch nie Kontakt zu psychisch kranken Menschen gehabt hatte, sei es ihr zu Anfang sehr schwer gefallen, mit den Stimmungsschwankungen der Mutter umzugehen. „Oft hatte ich das Gefühl, sie neben ihrem Sohn noch zusätzlich betreuen zu müssen.“

Trotz aller Schwierigkeiten empfand sie ihr Pflegekind als große Bereicherung für die eigene Familie: „Wir saßen wieder häufiger zusammen und haben geredet.“ Bereitschaftsmutter Christiane Brehmer ergänzt: „Ich habe meine Söhne von einer ganz anderen Seite kennen gelernt: Der Älteste war immer unerträglich cool. Und plötzlich fährt er stundenlang mit seiner Pflegeschwester auf den Spielplatz.“

PFIFF e.V., Holsteinischer Kamp 80, 22081 Hamburg. Tel: 410984–60,-64,-65, E-Mail: Pfiff.eV§t-online.de, www.pfiff-hamburg.de .

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