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No Bachelor of Kids

Erzieher sollten studieren – eigentlich. Weil die deutschen Kindergärtner europaweit Schlusslicht sind

Liegt es an der leidigen Finanzfrage? Oder doch daran, dass die Arbeit mit Kleinkindern in Deutschland noch immer als klassischer Frauenjob gilt? Für den es keine gute Ausbildung braucht? Hilde von Balluseck lacht. „Manchmal glaube ich, dass das Zweite noch immer das Entscheidende ist“, sagt die Professorin der Alice-Salomon-Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Berlin. Gemeinsam mit anderen Fachfrauen vom Pestalozzi-Fröbel-Haus und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft arbeitet von Balluseck seit zwei Jahren an einem Modellversuch, um ErzieherInnen besser auszubilden. Bislang scheiterte sie an der Politik. Diesen Juni soll endgültig entschieden werden.

Geht es nach dem Vorschlag der Pädagoginnen, soll die Alice-Salomon-Fachhochschule bundesweit erstmals einen Studiengang für ErzieherInnen erproben. Das Studium würde acht Semester dauern, zwei Praktika von insgesamt sechs Monaten wären enthalten. Abgeschlossen würde die Fachhochschulausbildung mit einem klingenden „Bachelor of Education“.

Der rot-rote Berliner Senat unterstützt die Idee und hat den Modellversuch bei der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung (BLK) beantragt. „Wir sind fest entschlossen, diesen Antrag durchzusetzen“, sagt Rita Hermanns, Sprecherin von Berlins Bildungssenator Klaus Böger (SPD). Böger versucht derzeit, eine Mehrheit für den Antrag zu organisieren. Doch die BLK ziert sich, dem Modellvorhaben zuzustimmen. Denn die Bundesländer befürchten finanzielle Konsequenzen. Studierte ErzieherInnen müssten mittelfristig besser bezahlt werden, heißt es.

„Aus dem Modellversuch ergeben sich aber gar keine tarifrechtlichen Konsequenzen“, sagt von Balluseck. „Es muss sich endlich die Erkenntnis durchsetzen, dass es sich um einen extrem wichtigen und sehr anspruchsvollen Beruf handelt.“ Derzeit seien die ErzieherInnen häufig schlicht überfordert.

Ziel des Modellvorhabens ist es, die Ausbildung auf europäisches Niveau anzuheben und einen international anerkannten Abschluss zu schaffen. Bislang wird die deutsche Erzieherinnenausbildung im europäischen Ausland nicht als gleichwertig anerkannt. „Unsere Erzieherinnen können im Ausland nur als Hilfskräfte arbeiten“, sagt von Balluseck. Deutschland ist neben Österreich das einzige Land in der Europäischen Union, in denen ErzieherInnen lediglich eine Fachschule besuchen. In allen anderen Ländern absolvieren sie ein Studium – wie hierzulande die GrundschullehrerInnen. Zulassungsvoraussetzung ist das Abitur. „Eine Abiturientin ist einem 16-jährigem Mädchen mit erweitertem Hauptschulabschluss natürlich überlegen.“

Pädagogin von Balluseck hofft, dass die Schülervergleichsstudie Pisa dem Antrag neuen Rückenwind gegeben hat. Seit der Veröffentlichung der für Deutschland peinlichen Ergebnisse ist auch der Öffentlichkeit klar: Bei den Kindertagesstätten herrscht dringender Handlungsbedarf. Gegenwärtig werde der Bildungsanspruch von Tageseinrichtungen zwar häufig formuliert, aber kaum erfüllt, heißt es in dem Antrag für die BLK. Am 30. Juni steht der Modellversuch dort erneut auf der Tagesordnung. SABINE AM ORDE

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