: Humorfreie Zone in Sachsen
Juraprofessor Jochen Rozek eckt mit einer Hausaufgabe beim sächsischen Wissenschaftsminister an
Spätestens seit der Pisa-Studie wissen wir, dass Ausbildung in Deutschland oft zu präxisfern ist. In Sachsen gibt es deshalb jetzt das „Gesetz zur Wiederherstellung der Achtung der Sächsischen Staatsregierung“ - kurz WASSRG genannt. Journalisten werden im Paragraf 2 verpflichtet, „die Tätigkeit der Staatsregierung positiv zu würdigen“. Ab sofort seien „amtliche Pressemitteilungen inhaltsgetreu zu übernehmen“. Und: Jegliche Kritik an Mitgliedern der Staatsregierung ist bei Freiheitsstrafe verboten, insbesondere was deren „statusgemäße Unterbringung in Liegenschaften, die dem Freistaat gehören“ betrifft.
Gesetzgeber ist ein gewisser Jochen Rozek. Als Reaktion auf die „außerordentlich kritische Berichterstattung über den Lebenswandel und das Amtsgebaren von Mitgliedern der sächsischen Staatsregierung“ verfasste der Jura-Professor an der TU Dresden seinen Gesetzestext fü ein Studentenseminar. Gemünzt ist das natürlich auf Kurt Biedenkopf. Sachsens Ministerpräsident hatte sich monatelang mit diversen Miet-, Rabatt- oder Dienstwagenaffairen in den Schlagzeilen gehalten.
Dumm nur, dass der Herausgeber des Nachrichtenmagazins Locus Berthold Baustein gegen das Gesetz Verfassungsbeschwerde eingelegte. Also, liebe Studenten des zweiten Semesters: Hausaufgabe ist, die Verfassungsbeschwerde zu behandeln. Ist das WASSRG grundgesetzkonform?
Dumm auch, dass die Sächsische Zeitung die juristische Hausaufgabe unter der Überschrift „Sächsische Rechtsfantasien“ glossierte. Zu den Lesern gehörte Wissenschaftsminister Hans Joachim Meyer (CDU) und Ministerialrat Hermann Jaekel, Leiter des Referats Dienstrecht in Sachsen. Nach Absprache schrieb Jaekel in feinstem Juristendeutsch an Rozek, der Fall gebe „Anlass, Ihr Verhalten in diesem Zusammenhang dienstrechtlich zu prüfen“. Rozek solle sein Machwerk dem Ministerium vorlegen, eine Erklärung „zu Ihrem Verständnis Ihres Textes und zum Zustandekommen dieses Zeitungsartikels“ beifügen.
Der aus Nordrhein-Westfahlen stammende Rozek kann auf einige Erfahrung mit der Spezies Homo sachsensis verweisen: Seit 1997 lebt er als Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht in der freistaatlichen Hauptstadt. Als besonders humorlos sind ihm die Sachsen bislang noch nicht aufgefallen. Gern sei er deshalb der Aufforderung der Dienstbehörde nachgekommen, wenngleich ihn der Eingriff in die Freiheit der Lehre durch das Wissenschaftsministerium doch ziemlich befremde. Als Jurist weiß er andererseits, dass das Urteil erst nach seiner Verkündung feststeht. Vielleicht trachtet das Ministerium ja nur nach etwas Humor im harten Alltag.
Wenn er sich da mal nicht täuscht: Das sächsische Beamtenrecht untersagt nämlich Professoren, sich politisch zu exponieren. Ob eine Hausaufgabe als solche Exponention gilt, „wird derzeit geprüft“, bestätigte gestern der Sprecher des Wissenschaftministeriums.
Auch die Studenten prüfen. Zwar, argumentiert Rozek, liege die Antwort der Hausaufgabe nahe. Den Weg dorthin aber juristisch korrekt zu beschreiben, sei für das zweite Semester durchaus anspruchsvoll. Drei bis vier Wochen, schätzt Rozek, werden die Studenten brauchen. Abgabetermin ist der 9. April - Eine Woche vor dem Rücktritt von Kurt Biedenkopf. NICK REIMER
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