: Noch nicht aufgegeben
■ Rasterfahndung: Anwältin ruft das Oberverwaltungsgericht an
Die Auseinandersetzung um die umstrittene Rasterfahndung unter nicht-deutschen Studenten islamischen Glaubens in Hamburg geht in eine neue Runde. Die Anwältin Gül Pinar legt gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts von voriger Woche Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) ein, um doch noch „Einstweiligen Rechtsschutz“ für ihren iranischen Mandanten zu erwirken.
Der VG-Beschluss hatte selbst unter JuristInnen für Verblüffung gesorgt. Neigen Verwaltungsgerichte gewöhnlich eher dazu, Vorschriften und Paragraphen zu interpretieren, hatte das VG diesmal eine rein politische Begründung vorgelegt: Maßnahmen nach Polizeirecht wie die Rasterfahndung setzen nämlich eine „unmittelbare“ und „konkrete Gefahr“ voraus, die Pinar bestreitet. Nach Meinung der Richter zeigten jedoch die Attentate in den USA, dass eine „weltweite Dauergefahr“ bestehe. Die Anschläge seien Ausdruck eines schon vorhandenen Gefahrenpotenzials gewesen, denn die Tätern entstammten einem Netzwerk, dass über Möglichkeiten weiterer spektakulärer Gewaltakte verfüge. Deshalb sei die polizeiliche Suche nach „Schläfern“ weiterhin legitim, zudem in Afghanistan der Nato-Bündnisfall eingetreten und somit auch Deutschland involviert sei.
Für Gül Pinar ist diese Argumentation „abenteuerlich“, da sie einen Persilschein für „staatlicher Eingriffmöglichkeiten ohne gesetzliche Grundlage“ ausstelle. Der VG-Beschluss steht auch im krassen Widerspruch zu einem nahezu zeitgleich gefällten Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt, das für ganz Hessen die Rasterfahndung stoppte. Da eine „dringende“ oder „konkrete“ Gefahr nicht bestehe, fehlten die Voraussetzungen für die staatliche Datensammlung, so das OLG, zudem werde überhaupt die Eignung als Mittel zur Gefahrenabwehr als „sehr fraglich“ eingestuft.
Dass das OVG-Hamburg als Beschwerdeinstanz anders entscheidet als das VG ist zwar möglich, aber unwahrscheinlich. Pinar muss aber diesen Weg gehen, damit alle Rechtsmittel ausgeschöpft sind. Erst dann bleibt ihr der Gang vors Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe. Kai von Appen
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