: Gerster finden alle gut – im Prinzip
Das Vorpreschen des neuen Chefs der Arbeitsämter stößt auch bei Union, FDP und Grünen auf Zustimmung. Die SPD wollte schließlich „keinen Verwaltungsbeamten“. Die konkreten Vorschläge Gersters allerdings machen nur den Liberalen keine Angst
aus Berlin ULRIKE HERRMANN
Noch lässt Kanzler Gerhard Schröder die Diskussion laufen. Er sprach Florian Gerster gestern sein vollstes Vertrauen aus. Man habe ja auch „keinen Verwaltungsbeamten gewollt“, um die Bundesanstalt für Arbeit zu reformieren.
Am Wochenende hatte Gerster, noch SPD-Sozialminister von Rheinland-Pfalz, diverse umstrittene Vorschläge zur Arbeitsmarktpolitik unterbreitet, die ganz offensichtlich nicht mit Arbeitsminister Walter Riester abgesprochen waren. SPD-Generalsekretär Franz Müntefering stellte dies gestern als gewollt dar: Gerster solle „sich offensiv in die Debatt einmischen“.
Diese SPD-Sprachregelung wurde gestern von allen Parteien geteilt: Grünen-Chef Fritz Kuhn würdigte Gerster als „selbstständig denkenden Menschen“, die CDU-Vorsitzende Angela Merkel pries seinen Reformeifer, und FDP-Parteivize Rainer Brüderle ermunterte ihn, „weiter Tabus zu brechen“.
Doch sobald es konkret wurde, sah sich gestern nur noch die FDP imstande, Gerster zuzustimmen. CDU und Grüne lehnten seinen Vorschlag ab, bei Älteren die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes von jetzt 32 Monaten abzusenken. Etwas vage drückten sich die Sozis aus: Müntefering betonte, dass man „in der Zielsetzung“ mit Gerster „völlig“ übereinstimme, Ältere stärker in den Arbeitsmarkt zu integrieren – doch habe das SPD-Präsidium „konkrete Vorschläge“ noch nicht diskutiert.
Mehr Zustimmung erhielt Gersters Vorschlag, Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammenzulegen. Allerdings hatte der künftige Chef der Arbeitsämter gleichzeitig gefordert, damit auch die Unterstützung für Langzeiterwerbslose abzusenken und „eher am Niveau der Sozialhilfe als an der heutigen Arbeitslosenhilfe“ zu orientieren. Während die FDP dies begrüßte, war der grüne Koalitionspartner gestern eindeutig: „Ein falsches Signal“, so Kuhn. Auch der sozialpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Klaus Brandner, betonte, dass „die Niveaufrage zweitrangig“ sei. Vor allem müssten die Betreuung und Vermittlung effizienter werden.
Die Diskussion könnte also kaum lebhafter sein. Oder um es mit Münteferings Worten zu sagen: Gersters „Vorschläge sind einige unter mehreren“. Einen Adressaten für diese Ideenflut gibt es auch schon: Es ist die 15-köpfige Expertenkommission, die der VW-Personalvorstand Peter Hartz leiten soll. Sie sollte erste Ergebnisse, wie die Bundesanstalt für Arbeit zu reformieren sei, eigentlich erst im Sommer verkünden. Doch so viel Geduld dürfte kaum aufzubringen sein – bleibt doch „die Beschäftigung das Thema Nummer 1 im Wahlkampf“, wie die SPD gestern realistisch einschätzte.
Außerdem wird auch Gerster weiter von sich hören lassen, hat er doch wiederholt seinen Anspruch bekräftigt, „auf einer Augenhöhe“ mit Arbeitsminister Riester zu verhandeln. „Das kann schon sein“, meinte Müntefering dazu gestern, „schließlich sind beide 1,76 groß.“
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