Steuerzahler wollen Quoten für Parteibücher

Im öffentlichen Dienst werden zu viele Posten nach Parteizugehörigkeit vergeben, meint der Bund der Steuerzahler und fordert 20-Prozent-Grenze

BERLIN taz ■ Der Politologe war sichtlich geschockt: Im Seminar zur Parteiendemokratie des Bochumer Professors Uwe Andersen berichtete eine Studentin, ihr Freund hätte ohne sein Parteibuch vermutlich nie ein Referendariat bekommen. Das könne doch gar nicht sein, erregte sich der Professor. Die Studentin blieb dabei, die Kommilitonen bestätigten ihre Erfahrungen in zahlreichen Variationen. Ohne Parteibuch, da waren sich die Politikstudenten einig, gehe gar nichts mehr.

Die alltägliche Parteienkungelei versucht der Bund der Steuerzahler (BdSt) seit gestern in Niedersachsen und Bremen mit einer Plakataktionen zu bekämpfen. „Es wird bei der Besetzung von Stellen in öffentlichen Verwaltungen und Gesellschaften permanent gegen das Grundgesetz verstoßen“, sagte Bernhard Zentgraf, Landesgeschäftsführer des BdSt, der taz. Qualifizierte Beamte und Angestellte hätten fast keine Chance auf Beförderung, wenn sie kein Parteibuch in der Tasche trügen, kritisiert Zentgraf. So seien 37 der 41 Abteilungsleiter der niedersächsischen Landesverwaltung Parteimitglieder, die Mehrheit von ihnen in der Regierungspartei SPD organisiert. Auch bei der Besetzung von Führungspositionen in kommunalen Unternehmen wie Entsorgungsbetrieben oder bei der Berufung von Richtern würde mehr auf die parteipolitische Gesinnung der Bewerber geachtet als auf ihr fachliches Wissen.

Die Folgen beklagte der konservative Bonner Staatsrechtler Josef Isensee schon Anfang der 80er-Jahre. „Die Ämterpatronage hat fatale Folgen für die Verwaltung“, sagt der heute 65-Jährige. Gerade nach Regierungswechseln würden Teile der Verwaltungen stillgelegt, weil der neue Dienstherr seinen Beamten, die vom Vorgänger eingestellt wurden, nicht kündigen könne. Zudem würden oft neue Stellen für loyale Mitarbeiter geschaffen und die Verwaltung dadurch aufgebläht.

Die Ämterpatronage einzuschränken, ist Ziel des BdSt: Zunächst müsse offen gelegt werden, wie hoch der Anteil von Parteigängern auf den Chefsesseln der Verwaltungen ist, fordert Zentgraf. Eine BdSt-Gesetzesinitiative soll im Bundestag wie im niedersächsischen Landtag und der Bremer Bürgerschaft diskutiert werden. Tenor: Höchstens 20 Prozent der Verwaltungsstellen dürfen von Parteigängern besetzt werden, der Rest der leitenden Beamten und Angestellten soll parteilos sein. Bei der Umsetzung will der BdSt sich an Erfahrungen mit der Frauenquote orientieren. Noch haben die Abgeordneten aber nicht reagiert.

Die Besetzung von Spitzenpositionen nach parteipolitischer Couleur habe „abenteuerliche Ausmaße“ angenommen, sagt auch Gerd Stuhlmann, Sprecher der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Aber „es ist ja nicht so, dass ein parteipolitischer Mensch keine hohe Qualifikation mitbringen kann“.

Auch Staatsrechtler Isensee lehnt die Vorschläge des BdSt ab: Eine erzwungene Offenlegung der Parteizugehörigkeit verstoße gegen den Datenschutz, die Quotierung der Stellenbesetzung werde keinen Erfolg haben. „Dann geben die ihr Parteibuch zurück, aber die Sympathie bleibt.“ Sinnvoller seien transparentere Bewerbungsverfahren, an denen auch politisch neutrale Personen beteiligt werden müssten. NADIA LEIHS