: Spracherwerb wird Pflicht
Zuwanderung auf österreichisch: Pflicht-Deutschkurse und billige Ausländer für den saisonalen Arbeitsmarkt
aus Wien RALF LEONHARD
Peter Westenthaler fühlt sich als Architekt des so genannten Integrationsvertrags. „Österreich war kein Einwanderungsland, Österreich ist kein Einwanderungsland und Österreich wird nie ein Einwanderungsland sein“, verkündet der Fraktionsvorsitzende der FPÖ bei der Vorstellung des Maßnahmenpakets der Regierung, das am 1. Januar 2003 in Kraft treten soll.
Ab diesem Datum werden Einwanderungswillige gründlich abgeschreckt: Ausländer sind nur als so genannte Spitzenarbeitskräfte willkommen oder als Saisonarbeiter mit sechsmonatiger Aufenthaltsgenehmigung. Damit kommt das Paket den Bedürfnissen der Wirtschaft, die mehr Flexibilität bei der Zuwanderung eingefordert hat, weitgehend entgegen.
Die Reform des österreichischen Fremdenrechts, von der Koalition als großer Wurf gepriesen, steht unter der Devise „Integration vor Neuzuzug“. Darunter versteht die Regierung in erster Linie den Erwerb der Sprache und das Studium von Landes- und Staatsbürgerkunde. Jeder Ausländer, der sich seit 1998 in Österreich aufhält oder sich hier niederlassen will, muss nach 18 Monaten eine Prüfung ablegen. Die entsprechenden Kurse muss der Zuwanderer (die weibliche Form ist im Entwurf nicht vorgesehen) zu 50 Prozent selbst bezahlen (siehe Kasten oben). Wer die Prüfung schafft, bekommt ein Visum für zwei Jahre, jedoch nicht automatisch eine Arbeitsgenehmigung. Damit erschöpfen sich auch schon die Integrationsmaßnahmen. In Österreich werden legal lebende Ausländer auch in Zukunft kein kommunales Wahlrecht haben und von der Wohnbaubeihilfe ausgeschlossen sein. In anderen Ländern, etwa den Niederlanden, betrachtet man gerade die rechtliche Gleichstellung mit Inländern als besonders integrationsfördernd (siehe Kasten unten). Lediglich Angehörige von Ausländern mit Aufenthaltsbewilligung, die mehr als fünf Jahre im Lande leben, sollen Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt bekommen; doch das Wahlrecht etwa zu Betriebsratswahlen bleibt ihnen verwehrt.
Zufrieden mit der neuen Regelung zeigt sich die Wirtschaftskammer. Die Unternehmer können in Zukunft auf zweierlei Weise ohne den bisherigen bürokratischen Spießrutenlauf ausländische Arbeitskräfte anwerben. Sie können so genannte Schlüsselkräfte einstellen, die über spezielle Kenntnisse verfügen und mit mindestens 1.962 Euro monatlich entlohnt werden. Gleichzeitig wird der Begriff des Wirtschaftssaisoniers eingeführt. Bisher gab es Saisonarbeiter nur in Tourismus und Landwirtschaft, klassischen wetter- und saisonabhängigen Branchen. Jetzt sollen alle Wirtschaftszweige konjunkturbedingten Arbeitskräftebedarf im Ausland decken könne. Die sechsmonatige Beschäftigungsbewilligung kann um noch mal sechs Monate verlängert werden. Dann muss der Saisonier für mindestens zwei Monate nach Hause, bevor sein Arbeitgeber einen neuen Antrag stellen kann. Ein Recht auf Zuwanderung oder Familiennachzug erwirbt der Saisonier nicht. Für Kranken- und Pflegepersonal, das von keiner dieser Lösungen abgesichert wird, gilt eine Sonderregelung: Sie müssen jedes Wochenende nach Hause.
Diese Regelung stößt erwartungsgemäß auf den Protest der Arbeiterkammer, die ihre schlimmsten Befürchtungen von bevorstehendem Lohndumping durch ausländische Billigarbeitskräfte bestätigt sieht. Auch die SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Andrea Kuntzl findet wenig Positives an der geplanten Reform. Sie sieht vor allem „Schikanen“ und gleichzeitig eine „völlige Öffnung des Arbeitsmarktes“. Ebenso vernichtend fällt das Urteil der kirchlichen Hilfswerke Caritas und Diakonie aus. Der Entwurf sei „kein Integrationspaket, sondern eine Deutschkursverordnung“, ätzt Caritas-Direktor Franz Küberl.
Anders als in Deutschland ging der neuen Zuwanderungsregelung keine breite Diskussion voraus. Opposition und Zivilgesellschaft waren nicht mal eingeladen, ihre Positionen einzubringen. Mit anderen Meinungen wollte man sich bei diesem vor allem für die FPÖ stark ideologisch besetzten Thema wohl nicht auseinander setzen. „Integration ist nirgends ein Thema, mit dem man ungeteilten Applaus aller bekommen wird“, meinte Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) fast entschuldigend. Er weiß, wovon er spricht: Seine Pläne, Zuwanderungswilligen mehr Rechte einzuräumen, wurden vom Koalitionspartner FPÖ erfolgreich gestoppt.
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