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Was geht uns Simbabwe überhaupt an?

Unregelmäßigkeiten charakterisieren zahlreiche Wahlen in Afrika. Aber in Simbabwe wird besonders deutlich, wohin das führen kann

BERLIN taz ■ Soldaten stehlen Wahlurnen und lösen die Wahlkommission auf. Ein Präsident erklärt sich zum Sieger, obwohl nachweislich sein Gegner gewonnen hat. Staatstreue Schläger verfolgen Oppositionsanhänger mit Knüppeln und Macheten.

Nicht in Simbabwe sind diese Dinge geschehen, sonden bei Wahlen in anderen Staaten Afrikas in letzter Zeit: Elfenbeinküste, Madagaskar, Sambia, Tschad. Und in so unterschiedlichen Ländern wie Kenia oder Nigeria, Togo oder Liberia lösen derzeit einsetzende Wahlkämpfe einen sprunghaften Anstieg von Gewaltakten und innenpolitischen Spannungen aus. Nicht überall in Afrika ist das so, aber doch in sehr vielen afrikanischen Ländern.

Was ist also so besonders an Simbabwe? Warum wird eine für Afrika beispiellose Medienöffentlichkeit hergestellt, wenn in Simbabwe Milizen im Staatsauftrag Regierungsgegner verschleppen und foltern, wenn hohe Regierungsbeamte ihre unterschlagenen Millionen auf geheime Auslandskonten transferieren, wenn die Armee für den Fall eines Oppositionssieges einen Putsch androht? In vielen anderen Ländern werden solche Praktiken vom Ausland ignoriert oder gar gebilligt. Die Manipulationen, die dem Wahlsieg von Tschads Präsident Idriss Déby im Mai 2001 zugrunde lagen oder dem von Sambias Präsident Levy Mwanawasa im Dezember, bleiben international unkommentiert, die Staatschefs international salonfähig.

Die weiße Minderheit als Feind

Die außergewöhnlich heftige Kritik an Simbabwe hat Robert Mugabe selbst provoziert. Er hat die Rassenfrage instrumentalisiert, um damit seinen Machterhalt zu sichern. Er hat die zahlenmäßig kleine, aber ökonomisch mächtige weiße Minderheit zum zu verjagenden kollektiven Feind erklärt, um die schwarze Mehrheit um sich zu scharen. Er hat den entsprechenden Solidaritätsreflex der weißen Großmächte, allen voran der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien, bewusst einkalkuliert, um daraus weiteres Kapital zu schlagen. Aber indem er die Welt zur Parteinahme zwang, musste er in Kauf nehmen, dass jetzt an ihn all die strengen Maßstäbe angelegt werden, die Demokraten in vielen anderen afrikanischen Diktaturen sonst von Europa und Amerika vergeblich einfordern.

Die internationale Aufmerksamkeit für Simbabwe ist demokratiefördernd, aber nicht weil die von Mugabe gewollte Schwarzweiß-Polarisierung den Tatsachen entspräche – die Terrorkampagne der simbabwischen Regierung trifft vor allem arme Schwarze, die sich nicht wie reiche Weiße Schutz und relative Sicherheit kaufen können. Sondern weil damit der internationale Trend zur Hinnahme von Unrecht in Afrika gebrochen wird. Viel zu wenig Beachtung fand bislang in der weltpolitischen Diskussion das gesamtafrikanische Phänomen, das in anderen Zusammenhängen als „tropischer Nazismus“ bezeichnet worden ist: Die radikale Ausgrenzung missliebiger Gruppen als Mittel für Machthaber, eine für Wahlsiege ausreichende Bevölkerungsmehrheit zu definieren und als loyales Staatsvolk und Stimmvieh um sich zu scharen.

Warnendes Beispiel Ruanda

Mugabe versucht, Simbabwes Schwarze kollektiv gegen die Weißen zu stellen, und will sie sich damit hörig machen. Damit pervertiert er das Erbe des antikolonialen Befreiungskrieges. Man braucht dafür aber keine Weißen. In der Elfenbeinküste haben führende Politiker zum gleichen Zweck die Ideologie der ivoirité erfunden, mit der sie ein Viertel bis zu einem Drittel der Landesbevölkerung als Nachfahren von Einwanderern aus dem „ivoirischen“ Staatsvolk ausschließen. Die daraus entstandenen Konflikte trieben das Land im Jahr 2000 an den Rand eines Bürgerkrieges. Heute versucht in Madagaskar der bei Wahlen unterlegene Staatschef Didier Ratsiraka, die ländlichen Gebiete gegen die historisch dominante Ethnie in der Hauptstadt aufzuhetzen, denn letztere unterstützen die Opposition und wollen deren Wahlsieg mit Massenprotesten durchsetzen.

Den Endpunkt einer solchen bewussten Spaltung eines Staatsvolkes hat Ruanda 1994 gesetzt, als die Regierung der Hutu-Mehrheit beschloss, die Tutsi-Minderheit komplett abzuschlachten und damit ihre anstehende Machtteilhabe überflüssig zu machen. Mugabes Generäle schützen heute in der Demokratischen Republik Kongo die aus Ruanda geflohenen Hutu-Milizen und haben mit den so genannten Kriegsveteranen im eigenen Land ein simbabwisches Pendant zur Vorbereitung des ruandischen Genozids geschaffen.

Die internationale Wachsamkeit, die in Ruanda fehlte, dürfte nun verhindern, dass Simbabwe den ruandischen Weg bis zum Ende geht. Und vielleicht hilft die internationale Empörung über Mugabes Terrorstaat, solche Vorgänge auch andernorts in Afrika zu erkennen.

DOMINIC JOHNSON

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