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Ist ein BH islamisch?

Was für eine Frage! Doch sie ist ernst. Zumindest in Saudi-Arabien. Ein Editorial

von HEIDE OESTREICH

Schon diskriminierend, die Frage, ganz klar. Stellt eigentlich nur die Fragenden bloß: Keine Ahnung haben die.

Stimmt nicht ganz. Scheich Ibn Jibrin vom „Rat für wissenschaftliche Recherchen und juristische Meinungen“ in Saudi-Arabien, der über diese Frage zu entscheiden hatte, kennt immerhin den Unterschied zwischen Push-up und Sport-BH, wie Edit Schlaffer und Cheryl Benard in Erfahrung gebracht haben.

Aber den saudi-arabischen Betonislam mit dem Islam insgesamt gleichzusetzen – da dreht sich doch allen anderen Musliminnen der Magen um! Und das genau ist das Thema.

Was wirft der Islam nach dem 11. September 2001 nicht alles für Schatten: Hinter jedem unauffälligen Muslim könnte ein „Schläfer“ stecken. Wir lernen, dass die Gläubigen sich in ungläubigem Umfeld verstellen dürfen, taqîya ist das Fachwort. Plötzlich fällt wieder mal auf, dass nicht nur FeindbildverbreiterInnen im Westen, sondern auch die im Orient selbst nicht selten der Meinung sind, dass Demokratie und Islam einfach nicht zusammenpassen. Und die Frauenrechte!

„Islamfeindlichkeit!“ lautet der Vorwurf der solche Islamverdammer trifft. Es ist der reflexhafte Ruf der AusländerfreundInnen, die – mit viel Recht – auf die weltpolitischen und -wirtschaftlichen Wurzeln des Fundamentalismus hinweisen und auf die monokulturelle Argumentation der Feindbildverbreiter.

Und die Frauen? Ehrenmord, Zwangsheirat, Steinigung, man weiß gar nicht, wo anfangen mit der Aufzählung skandalöser Frauenrechtsverletzungen in real exisitierenden muslimischen Ländern. Der feministische Diskurs schlingt sich wie ein orientalisches Ornament um den Islamdiskurs. Einen starken Strang bildet dabei die Frauenrechtsdiskussion, die sich aus säkularen, humanistischen Wurzeln speist.

Dabei droht der humanistische Diskurs in der Tat, jede Kopftuchträgerin zu stigmatisieren. Siba Shakib berichtet von Feministinnen, die in Kabul auftauchten und die Frauen aufforderten, ihre Burkas öffentlich zu verbrennen – wie westliche frauenbewegte Aktivistinnen weiland ihre BHs. Allein, die Afghaninnen wollten nicht. Ein allzu fürsorglicher Frauendiskurs, der nur Frauenrechtsverletzungen als Schatten des Islam sieht, kann leicht in die Feindbildfalle tappen. „Was haben Sie eigentlich gegen das Kopftuch?“, fragt die Muslimin Sabiha El-Zayat im Streitgespräch. Und Birgit Rommelspacher versucht, die tieferen Motive für die westliche Kopftuchphobie zu ergründen.

Gegen die „verwestlichten“ Säkularisierungsfeministinnen hat sich seit mehreren Jahren ein orientalisch-feministischer Gegendiskurs gebildet. Die „Kopftuchstudentinnen“ betreiben feministische Theologie auf muslimisch, versuchen islamischen Glauben und Frauenrechte zu vereinen. Sie tragen Lidschatten zum Schleier. Bisher werden sie von den humanistisch Emanzipierten misstrauisch beäugt. Dabei, so meint zumindest Dilek Zaptçioglu, tun sich hier Möglichkeiten zu neuen Allianzen auf. Schließlich sei der real existierende Islam nicht gleichzusetzen mit dem islamischen Ideal, das geradezu als Reformmotor wirken könne. Hier allerdings sind Zweifel durchaus angebracht, wenn man hört, was Religionsministerien alles als „unislamisch“ ablehnen.

Ist ein BH islamisch? Das ist nicht nur die kuriose Frage eines Mullahgremiums. Auch in feministischen Diskursen war der BH mal ein Problem: Ist ein BH feministisch? Ein seltsames Zusammentreffen von feministischem und islamischem Dogma: Beide sind gegen den Wonderbra. Doch den „Altfeminismus“ hat der Liberalismus längst geschluckt. Heute wollen die Frauen Wonderbras statt Sonderrechte.

Dagegen bekommen Frauen in Saudi-Arabien eigene Business-Centers, wegen der Geschlechtertrennung. Old-School-Frauenförderung könnte man das auch nennen. Sie bedauern die Westsportlerinnen, die meinen, nur mit Nacktfotos könnten sie ihr Image noch optimieren. Aber sie selbst dürfen öffentlich gar keinen Sport treiben. Das sind so Verschlingungen, die sich bilden, wenn es zu einem west-östlichen Frauengespräch kommt …

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