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Tiergartenschützer: Parade soll rotieren

Bürgerinitiative wehrt sich gegen eine Mehrjahresgenehmigung für die Straße des 17. Juni. Sie will wechselnde Strecken. Doch Wirtschaftssenator Gysi (PDS) sieht derzeit keine Alternative zur bisherigen Love-Parade-Route

Auf der Karl-Marx-Allee. Oder auf dem Flugfeld in Tempelhof. Oder auf der Holzmarktstraße. Überall dort könnte die Love Parade abwechselnd abtanzen, statt – wie dieses Jahr am 13. Juli – auf der Straße des 17. Juni durch den Tiergarten zu ziehen. Das meint zumindest die Bürgerinitiative „Rettet den Großen Tiergarten vor der Love Parade“. Der Senat sieht das anders.

Anlass der Rotationsforderung ist ein Beschluss im Roten Rathaus, der Love Parade bis 2006 die bisherige Strecke und als Termin das zweite Juliwochenende zuzusichern. Das solle dem Veranstalter Planetcom Planungsicherheit geben, sagte Wirtschaftssenator Gregor Gysi (PDS). „Damit sichert er zugleich dem Großen Tiergarten das langsame Weitersterben“, kritisiert die Bürgerinitiative. Sie hatte im vergangenen Jahr mit einer eigenen Demonstration den für die Love Parade vorgesehen Termin blockiert und eine Verschiebung erzwungen. Für den 13. Juli hat das Anti-Love-Parade-Bündnis „Aktion 2000“ angeblich eine Demo angemeldet und bisher keine Absage erhalten.

Gysi, der von keiner konkurrierenden Veranstaltung berichtete, sieht derzeit keine Alternative zur Straße des 17. Juni. Sein Sprecher Christoph Lang sagte, man habe mehrere Varianten auf Sicherheit und Lärmentwicklung hin geprüft. Allein die Heerstraße soll zuletzt diskutiert worden sein. „Doch dort sind vier Krankenhäuser“, sagte Lang.

Für seinen Chef Gysi ist die Love Parade „Wirtschaftsfaktor und Imageträger für die deutsche Hauptstadt“. Nach Expertenschätzungen kommen mehrere hunderttausend Teilnehmer gezielt zur Love Pararde nach Berlin und lassen dabei 125 Millionen Euro in der Stadt.

Katharina Gelhaar, die Chefin der Bürgerinitiative, hat andere Maßstäbe. Zu groß sind ihrer Ansicht nach die Schäden im Tiergarten. Veranstalter Planetcom hat dazu ein Gutachten in Auftrag gegeben, das im Mai vorliegen soll. Laut Gysi-Sprecher Lang ist in einem Zwischenbericht nachzulesen, dass die Schäden aus Sicht von Naturschützern nicht nachhaltig, für Gartendenkmalpfleger hingegen erheblich sind. Gelhaar gibt sich daher auch nicht mit Sicherheitsleistungen der Veranstalter zufrieden. Laut Gysi haben die Love-Parade-Macher über einen Notar knapp 180.000 Euro für eventuelle Schäden hinterlegt.

Die Bürgerinitiative will laut Gelhaar prüfen, ob sich eine Parade durch den Tiergarten nicht rechtlich verhindern lässt. Ansatzpunkt soll der veränderte Status der Love Parade sein: Sie ist nach höchstrichterlichem Urteil nicht länger eine politische Demonstration, sondern eine kommerzielle Veranstaltung.

Auch Senator Gysi will den neuen Status der Veranstaltung nutzen und den Senat von den Kosten für die Straßenreinigung befreien, die er mit „einigen 10.000 Euro“ angab. Bisher kehrt die Müllabfuhr vor allem auf Landeskosten hinter der Love Parade her, doch bis 2005 soll der Veranstalter schrittweise komplett für die Reinigung zahlen. Gysi denkt auch daran, Planetcom für den jeweiligen Polizeieinsatz eine Rechnung zu schicken. Derzeit fehle dazu noch die rechtliche Grundlage.

STEFAN ALBERTI

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