: Die Frauen des Vertrauens
Helfende Hände: Hebammen sind nicht nur bei Hausgeburten optimale Begleiterinnen. Sie bieten auch Betreuung und Rat von der Vorsorge bis zur Rückbildung. Viele Mütter und Väter haben erst durch ihre Hebamme gelernt, was den Jüngsten gut tut
Schwangerschaft ist keine Krankheit – aber eine Ausnahmesituation. Da ist es immer gut, die Bodenhaftung nicht zu verlieren. Hilfreich dabei sind Hebammen: Sie bringen nämlich nicht allein die Kleinen ans Licht der Welt, sondern bieten Frauen während der Schwangerschaft – und auch danach – gleichsam eine Rundumbetreuung. Das Angebot reicht von der Vorsorge bis zur Rückbildung, geht über Ausstellen des Mutterpasses bis zur Beratung bei Stillproblemen und endet längst noch nicht bei Yoga für Schwangere oder Babymassage. Viele Mütter und Väter haben letztlich erst durch ihre Hebamme gelernt, welche Handgriffe den Jüngsten gut tun.
Jede Frau hat einen Anspruch auf die individuelle Betreuung durch eine Hebamme. Die Kosten dafür übernimmt die Krankenkasse. Verläuft eine Schwangerschaft normal, ist es noch nicht einmal nötig, dass ein Arzt hinzugezogen wird, denn die Hebamme führt auch alle nötigen Untersuchungen durch, kontrolliert Wachstum und Lage des Kindes und begleitet die Frau bei der Geburt. Ergeben die Vorsorgeuntersuchungen allerdings medizinische Auffälligkeiten, wird die Schwangere zusätzlich an einen Arzt überwiesen.
Besonders dann, wenn eine Hausgeburt gewünscht wird, ist es von großem Vorteil, wenn Hebamme und Schwangere sich zur Geburt gut kennen – also schon sehr frühzeitig gleich mit Beginn der Schwangerschaft Kontakt zueinander haben. In Berlin beträgt die Rate der außerklinischen Geburten übrigens vier Prozent und ist damit doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Das liegt sicher nicht nur daran, dass den Berlinerinnen etwa 350 freiberufliche Hebammen zur Verfügung stehen, sondern ist auch dem Vertrauen in das dichte Kliniknetz geschuldet. Passiert es unerwartet doch einmal, dass während einer Hausgeburt Nothilfe erforderlich wird, ist die nächste Klinik schnell erreichbar. Gefährliche Situationen indes sind selten, weiß man beim Berliner Hebammenverband.
Hilfreich bei der Suche nach der „richtigen“ Hebamme ist – nicht nur für geplante Hausgeburten – die Berliner Hebammenliste, worin die Fachfrauen nach Bezirken geordnet zu finden sind. Besser noch sind persönliche Empfehlungen von Freundinnen und Bekannten, da somit unmittelbar ein „direkter Draht“ hergestellt werden kann. Der frühzeitige Kontakt ist aber auch dabei wichtig, um vor allem in der Ferienzeit nicht plötzlich ohne jegliche Ammenhilfe dazustehen.
Wird die Begleitung bei der Geburt gewünscht, fallen für die Rufbereitschaft der Hebamme, die um den voraussichtlichen Geburtstermin herum Tag und Nacht verfügbar ist, einmalige Kosten in Höhe von etwa 150 bis 200 Euro an. Hebammen betreuen jedoch nicht nur bei Hausgeburten oder Geburten im Geburtshaus, sondern müssen auch in Kliniken zu jeder Geburt hinzugezogen werden. Dabei sind sowohl ambulante Entbindungen möglich – die Gebärende ist dann in der Regel nicht länger als 24 Stunden auf der Station – als auch solche mit anschließendem Klinikaufenthalt auf der Wöchnerinnenstation.
Die Vorsitzende des Berliner Hebammenverbandes, Marion Brüssel, bringt den Inhalt ihres Berufes auf den Punkt: Im Wesentlichen sei man dafür da, während der gesamten Schwangerschaft, unter der Geburt und im Wochenbett zu vermitteln: „Alles wird gut!“ Denn die Hebammen beraten die Frauen nicht nur in medizinischer Hinsicht. Raum ist auch dafür, etwaige soziale Probleme sowie Ängste anzusprechen. Und schließlich geht es auch um ganz praktische Dinge wie Geburtsvorbereitungs- und Säuglingspflegekurse. Diese müsse man zwar nicht eigens deshalb machen, „um gut durch die Geburt zu kommen“, so Marion Brüssel. Doch wenn man sich für einen Geburtsvorbereitungskurs etwa in einer Hebammenpraxis entscheide, sei es sinnvoller, einen auf mehrere Wochen angelegten Kurs zu wählen als einen einzelnen kompakten am Wochenende. Vorteil: Man lernt nicht nur die Hebamme besser kennen, sondern auch andere Schwangere in einer vergleichbaren Situation. Oft entstünden aus diesen ersten Kontakten Freundschaften, die auch nach der Geburt zum Austausch von Erfahrungen nützlich und hilfreich sein können.
Auch in der Zeit „danach“ greifen die Hebammen den jungen Müttern unter die Arme. Für die ersten beiden Monate wird die Betreuung der Wöchnerinnen und des Neugeborenen zu Hause angeboten, beispielsweise für die Stillberatung oder um die Wundheilung nach Dammverletzungen zu beobachten.
Später dann bieten Hebammen Kurse mit Rückbildungsgymnastik an. Marion Brüssel warnt dabei allerdings vor überzogenen Erwartungen bei den Müttern. Die meisten Frauen wollten, so ihre Erfahrung, möglichst schnell wieder „in ihre alten Jeans passen“. Das geschehe jedoch nur bei sehr wenigen und könne schon mal zwei Jahre dauern. In den Rückbildungskursen gehe es viel mehr vorrangig darum, den Frauen wieder „ein Gefühl für den eigenen Körper“ zu vermitteln – und sie nach den Anstrengungen der Geburt und den Monaten davor zur Ruhe kommen zu lassen. Ein wesentliches Ergebnis bei optimaler Betreuung durch die Hebamme solle letztlich aber darin liegen, den Stolz und das Selbstbewusstsein der Frau zu stärken. Marion Brüssel: „Auch dafür bieten wir Raum.“ KATHARINA JABRANE
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen