: Scherfs Mischpoke im Streit: Albers blamiert, Schuster strahlt
■ Auf dem Unterbezirksparteitag der SPD gaben nur 100 von 200 Delegierten dem Landesvorsitzenden ihre Stimme
Die Bremer SPD, jedenfalls die Delegierten des Unterbezirksparteitages der Stadt, sind sich einig. Es gebe „ein zentrales Ziel“, formulierte der Landesvorsitzende Detlev Albers am Samstag vor den Delegierten im Bürgerzentrum Neue Vahr, nämlich nach dem Wahltag am 25. Mai 2003 „mit einer eigenen Mehrheit den Senat bilden.“ Joachim Schuster, sein parteiinterner Herausforderer, formulierte: „Wir sollten dafür sorgen, dass sich die Schwarzen nach 2003 auf den Oppositionsbänken regenerieren können.“ Bei so wenig Unterschied hatten die Delegierten die Qual der Wahl – mit 97 Stimmen für Schuster blamierten sie am Samstag den seit Jahren amtierenden Albers, der bei dem Meinungsbild auf 100 Delegiertenstimmen kam. Da das Ergebnis so knapp war, haben beide Kandidaten den „Segen“ ihres Unterbezirks Bremen-Stadt, wenn sie am kommenden Wochenende auf dem Landesparteitag für das Parteiamt kandidieren.
Bürgermeister Henning Scherf, um dessen Regierung es da geht, schert dieser Streit indes wenig. „Da tritt nicht ein Teil gegen den anderen Teil der SPD an – es ist die gleiche Mischpoke“, vertraute Scherf der Süddeutschen Zeitung an. „Mischpoke“ kommt aus dem Jiddischen und meint laut Duden „Verwandtschaft, üble Gesellschaft“. Die Willensbildung seiner Partei – Ende der großen Koalition – hatte Scherf schon vor drei Jahren ignoriert, als es um dieselbe Frage ging und er von Albers vorgeworfen bekam, er kämpfe ja nicht für die absolute Mehrheit der SPD. Selbst eine erneute Stellungnahme der Vorsitzenden im Bremer Landesverband, die Partei müsse wieder die absolute Mehrheit anstreben, hat ihn in seinem Loblied auf die gemeinsame Politik mit der CDU nicht irritiert. „Wenn s nach mir geht, machen wir das nach der nächsten Wahl weiter“, sagt Scherf. Und jeder ahnt: Es geht nur nach ihm.
Dieses Thema gärt in der SPD, und viele reden vieles drum herum. „Cheftrainer“ sei er, warf sich Detlev Albers am Samstag in große Pose, und Scherf sei sein „Mittelstürmer“. Niemand widersprach dieser tragikomischen Selbstüberschätzung. Wenige Sätze später formulierte Albers einer seiner typischen Pirouetten: Man müsse Scherf auch mal heftig widersprechen und sich alsdann intern zusammenraufen – „dann haben wir Henning bei uns, wenn er seinen eigenen politischen Lebensweg ernst nimmt.“ Und? Tut er das? Der Bürgermeister, der 1985 im ersten Anlauf auf das Rathaus mit einer Kampagne gegen die große Koalition unterlag, hatte noch 1995 parteiintern die Stimmen der Gegner der großen Koalition gesammelt. Von diesem „politischen Lebensweg“ ist er heute weit entfernt.
Dass Albers seinen eigenen politischen Lebensweg auch nicht ernst nimmt, ist der heimliche Vorwurf des Joachim Schuster, der immerhin bei Albers, Politikprofessor an der Universität, viel lernen wollte und daher bei ihm seine Doktorarbeit geschrieben hat. Als „zahnloser akademischer Debattierclub“ könne man die Menschen nicht begeistern, schoss Schuster scharf. Eine seiner UnterstützerInnen stellte die böse Frage, warum der bemühten kämpferischen Rhetorik von Albers sein Handeln nicht entspreche, wenn es darum gehe, die Partei gegenüber dem erdrückenden Henning Scherf zu profilieren.
Aber profiliert nicht Scherf die SPD am besten? Im Meinungsbild über die beiden Kandidaten wollte eine knappe Mehrheit denn auch keine Unruhe in die Machtbalance Rathaus-Parteiführung hineintragen.
Der Unterbezirksvorsitzende Wolfgang Grotheer, der sehr viel öfter als Albers mit deutlich eigenem Profil in die Öffentlichkeit geht, bekam immerhin 156 von gut 200 möglichen Stimmen. Sein Stellvertreter Manfred Oppermann unterlag dagegen deutlich: Der Juso-Kandidat und Falken-Sekretär Frank Schmitz setzte sich mit 133 zu 61 Stimmen als Stellvertreter durch. Klaus Wolschner
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