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Ruf nach Intervention

Den arabischen Führern ist die Beendigung der Gewalt in Palästina momentan wichtiger als ein Sturz von Saddam Hussein

aus Washington MICHAEL STRECK

Während US-Vizepräsident Dick Cheney am Sonntag zu einer ausgedehnten Nahost-Reise in elf Länder aufbrach, appellierten in Kairo die Außenminister der arabischen Staaten auf einer Dringlichkeitssitzung an Europa und die USA, im blutigen Konflikt zwischen Israel und Palästina zu intervenieren. Die eskalierende Gewalt in Israel scheint nunmehr den ursprünglichen Auftrag der Cheney-Mission, seine Gastgeber von einem Sturz des irakischen Diktators Saddam Hussein zu überzeugen, zur Nebensache werden zu lassen.

Die arabischen Staaten werden versuchen, Cheney deutlich zu machen, dass für sie die Vorbereitungen zu einem Angriff auf den Irak gegenwärtig nicht auf der Tagesordnung stehen. Und sie werden den Vizepräsidenten mit den Versäumnissen von einem Jahr Bush-Regierung konfrontieren. Viele arabische Führer werfen den USA seit langem vor, sich nicht energisch genug im Nahost-Konflikt engagiert zu haben und einseitig Israel zu unterstützen. Cheney wird daher vor allem die erheblich gestörten Beziehungen zwischen Washington und der arabischen Welt wieder herstellen müssen.

Ein Treffen mit Jassir Arafat wäre dazu die beste Gelegenheit. Doch wie bislang aus dem Weißen Haus verlautet, ist dies nicht geplant. Auch soll sich Cheney nicht in neue Waffenstillstandsverhandlungen zwischen Israel und Palästina einschalten.

Diese Aufgabe obliegt US-Sondervermittler Anthony C. Zinni, der kommende Woche in den Nahen Osten aufbrechen soll und dessen erste Bemühungen im Dezember und Januar gescheitert waren. Mit dieser neuen Mission reagierte US-Präsident Bush auf die wachsende Kritik arabischer Länder am Versagen US-amerikanischer Vermittlungen, aber auch um Cheney den Rücken bei seinen Gesprächen etwas frei zu halten, damit seine Visite nicht völlig vom Krieg in Israel dominiert wird. Daher sind die Anschläge palästinensischer Selbstmordattentäter in Israel und die israelischen Vergeltungsschläge vom vergangenen Wochenende für die USA kein Grund, den geplanten Besuch von Zinni zu verschieben.

Insgesamt 150 Menschen sind in der vergangenen Woche im Nahostkrieg ums Leben gekommen. Am Samstagabend hatte sich ein Palästinenser in einem Jerusalemer Café nahe der Wohnung des israelischen Premierministers Ariel Scharon in die Luft gesprengt und dabei zwölf Menschen mit in den Tod gerissen. Anschließend zerstörten israelische Kampfhubschrauber in der Nacht zum Sonntag mehrere Büros von Palästinenserpräsident Arafat in Gaza. 24 Menschen wurden dabei verletzt, darunter 20 Zivilisten. Außerdem griff die israelische Armee die Stadt Ramallah im Westjordanland und ein palästinensisches Flüchtlingslager bei Rafah an.

In der arabischen Welt befürchtet man immer mehr eine Ausweitung der Gewalt im Nahen Osten. Die Beendigung der eskalierenden Gewalt in Israel ist den politischen Führern zwischen Kairo und Amman momentan wichtiger als mögliche Umsturzszenarien in Bagdad.

Saudi-Arabien hat daher zum Beginn der Cheney-Mission seinen Friedensplan erneuert, der Israel Frieden mit allen arabischen Staaten gewähren würde, wenn es sich aus den besetzten arabischen Gebieten zurückziehe und den Palästinensern einen unabhängigen Staat mit Jerusalem als Hauptstadt zugestehe. Der saudi-arabische Außenminister Saud al-Faisal sagte dies im Gespräch mit Journalisten, nachdem er am Sonntag mit Ägyptens Präsident Mubarak gesprochen hatte. Er bekräftigte damit einen Vorschlag des saudi-arabischen Kronprinzen Abdullah, den dieser im vergangenen Februar unterbreitet hatte.

Die arabischen Staaten werden von Cheney auf dessen Reise Unterstützung für die Initiative Abdullahs erwarten. In vielen Ländern herrscht gegenwärtig die Meinung vor, dass sich die USA mit dem Irak in einem „alten Thema“ verbissen hätten und auf falsche Prioritäten setzen würden. Der Tenor: Irak kann warten, der existierende Krieg in Israel nicht. Über Wochen haben US-Diplomaten davor gewarnt, dass man im Nahen Osten den Eindruck gewinnen könnte, die Bush-Regierung würde energisch an einem Umsturz von Saddam Hussein arbeiten, jedoch nicht den gleichen Ehrgeiz an den Tag legen, wenn es um eine Beendigung des Blutvergießens in Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten geht. Nun fordern die arabischen Alliierten offen eine Umorientierung in der US-Außenpolitik.

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