: Lieber Dosenpfand als Atomraketen
Beim Streit um amerikanische Nuklearwaffen hat sich Joschka Fischer schon einmal eine blutige Nase geholt. Entsprechend gering ist seine Neigung, die neu gewonnenen Freunde in Übersee zur Abrüstung zu bewegen
BERLIN taz ■ Dosenpfand schlägt Atomraketen, jedenfalls im Grünen-Parteirat. Mit einem bunten Themenmix befasste sich das grüne Führungsgremium auf seiner knapp vierstündigen Sitzung am Montag, Kohls Stasiaktenurteil war darunter, Zuwanderung, der Kölner Klüngel und eben das Dosenpfand. Der Wechsel in der amerikanischen Atomwaffenstrategie kann bei den einstigen Bannerträgern der Friedensbewegung nicht zur Sprache.
Joschka Fischer sei nicht da gewesen, sagte Parteichefin Claudia Roth zur Erklärung, doch werde man am Dienstag in der Fraktion „ganz sicher“ mit dem Außenminister darüber reden. Sollten die Berichte aus den USA zutreffen, wäre dies „ein sehr gefährlicher Einstieg“ in eine Rüstungsspirale. Geht man nach dem gestrigen Auftritt der Sprecherin des Auswärtigen Amts, interessiert den Minister das Thema allerdings nicht besonders.
In der breiten Palette, die Regierungssprechern offen steht, das Desinteresse ihrer Dienstherren darzustellen, wählte sie die radikalste Variante: Es gibt gar keinen Grund etwas zu sagen. „Zu den angeblichen Inhalten können wir natürlich nicht Stellung nehmen, da der Bericht (in der Los Angeles Times) nicht bestätigt wurde“, lautete das Statement vor der Bundespressekonferenz. An eine Klärung der Fakten durch Nachfrage bei der US-Regierung ist nicht gedacht. Zur Begründung wird auf beschwichtigende Interview-Äußerungen von US-Außenminister Colin Powell verwiesen, der erklärt hatte, er wolle internationale Aufregung vermeiden. „Insofern ist das Informationsbedürfnis der Bundesregierung durch die Auskünfte der USA gedeckt.“ Der Sprecher der Bundesregierung, Uwe-Karsten Heye, ergänzte: „Wir sind entschieden dafür, die nuklearen Potenziale zurückzuführen.“
Joschka Fischer hatte sich bereits kurz nach Amtsantritt eine blutige Nase geholt, als er die USA zu einem Verzicht auf ihre atomare Erstschlagsoption bewegen wollte. So betont sein Ministerium heute, Nuklearpolitik sei eine „nationale“ Angelegenheit der USA. Gleichzeitig spiegeln sich im verhaltenen deutschen Interesse zwei Phänomene jüngeren Datums: Angesichts des transatlantischen Streits um den Irak möchte die Bundesregierung keinen neuen Konflikt beginnen. Hinzu kommt, dass die deutsche Öffentlichkeit – anders als das Pentagon – offenbar immer noch glaubt, das Thema Nuklearwaffen sei mit dem Ende des Kalten Krieges erledigt.
PATRIK SCHWARZ
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