: Die Trommel zum Aufpumpen
Kaum ein Instrument ist schwerer zu stimmen. Natürliche Trommelfelle sind sensibel. Roman Dill und David Faulwasser aus dem RAW-Tempel haben eine einfache Lösung: Luftdruck. Auf der Frankfurter Musikmesse stellen sie ihre Erfindung heute vor
von GUIDO SCHIRMEYER
Da staunte sogar Souleymane Touré, als er am Montag im RAW-Tempel zu Gast war. Roman Dill und David Faulwasser führten dem ungekrönten König der Berliner Trommelszene, einst Bandleader des afrikanischen Reggaestars Alpha Blondy, ihre neueste Erfindung vor. Zuerst runzelte Touré noch die Stirn, als er die Fahrradluftpumpe sah. „Big Business“ entfuhr es ihm kurz darauf beinahe fassungslos.
Was Dill und Faulwasser erfunden haben, ist eine Trommel zum Aufpumpen. Bei einem Waldspaziergang in Sachsen, erzählen die beiden, sei ihnen plötzlich die geniale Idee gekommen. Da kannten sich die beiden noch gar nicht so lange. Der Thüringer und der Baseler hatten sich vor vier Jahren bei einem Straßenfest in Prenzlauer Berg getroffen. Sofort entdeckten sie nicht nur das gemeinsame Faible fürs Perkussive, sondern auch die gemeinsamen musikalischen Wurzeln. David Faulwasser hatte zu DDR-Zeiten in Erfurt auf dem bulgarischen Dudelsack in der Mittelalter-Szene zu musizieren begonnen. Und mittelalterlich war auch der junge Roman Dill mit 20.000 anderen trommelnd durch die Gassen Basels gezogen, um die berühmte Fasnacht einzuläuten – Europas größtes Getrommel. Hinzu kam das Interesse für den Instrumentenbau: Auf seinen Marokkoreisen hatte Roman schon zweifellige Bauchtrommeln gebaut, David hatte immer schon seine Finger in den Instrumenten, hatte repariert, gewartet und gebaut.
Nach besagtem sächsischen Spaziergang bauten die beiden dann einen Fahrradschlauch zwischen Haut und Außenwand einer Rahmentrommel. Es klappte nicht gleich beim ersten Versuch, doch nach einigen Experimenten funktionierte das Unmögliche: Mit einer Fahrradpumpe bliesen sie die Trommel auf.
Alle Häute – Dill und Faulwasser verwenden nur Naturfelle – konnten sie ab jetzt in jede beliebige Tonhöhe spannen, ohne die zeitraubenden Schnürungen oder die herkömmlichen Spannschrauben. Sie nannten ihre Erfindung „Pneumatic Pitch Control“. Die Tonhöhe lässt sich durch konstanten Luftdruck, der die Spannung auf der Trommelhaut hält, kontrollieren. Diese einfache Methode erwies sich als elegante Lösung des uralten Problems des schnellen und exakten Stimmens der Trommel.
„Naturfelle klingen dynamischer als Plastefelle“, ist das Credo der Trommelbauer, die inzwischen in einem ehemaligen Gerätelager der Reichsbahn auf dem RAW-Gelände unter der Warschauer Brücke Ziegen-, Kalbs- und Pferdefelle frisch vom Metzger verarbeiten. Den Nachteil der Tierhäute, die schnelle Reaktion auf Schwankungen von Luftdruck, -feuchtigkeit und Temperatur, wollen Dill und Faulwasser mit ihrem Schlauchsystem aufheben, „durch gleichmäßigen Innendruck“.
Zweites Novum der Erfinder: Auswechselbare „Fellhüte“ ermöglichen nicht nur sekundenschnelle Reparatur, sondern auch klangliche Variationen binnen kürzester Zeit: Mit ein und derselben Trommel in 60 Sekunden von Kairo nach Havanna, von Dakar nach Isfahan. Dank der Pitch Control könne die Trommel melodisch agieren, erklärt Faulwasser. Die Pump-up-Drums ermöglichten zudem mehr Expressivität und feinere Zwischentöne. „Tonartwechsel sind künftig während des Spiels möglich, und vielleicht müssen Schlagzeuger bald auch wie Gitarristen Harmonien lernen“, sagt Faulwasser.
Heute gehen die Friedrichshainer Erfinder mit 60 aufpumpbaren Trommeln auf die Frankfurter Musikmesse. 40.000 Mark haben sie für die Anmeldung ihres Patents investiert. Ihr Ziel: eine Berliner Trommelfabrik mit weltweiter Produktion. Dass sie die Welt der Trommler revolutionieren, davon sind die beiden felsenfest überzeugt.
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