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Prämie für den Meldestempel

Geld vom Bund macht’s möglich. Melden mehr Studierende ihren Erstwohnsitz in Berlin an, spült das bis zu 60 Millionen Euro in die Landeskasse. Der Senat setzt nun auf Anreize, etwa ein kostenloses Semesterticket

Mit einem Ummeldekampagne will der Senat einen zweistelligen Millionenbetrag in die leeren Kassen holen. Studenten, die zwar in Berlin wohnen, aber noch bei Mama und Papa in anderen Bundesländern gemeldet sind, sollen ihren Erstwohnsitz in die Hauptstadt verlegen. Denn nur für Einwohner mit erstem Wohnsitz bekommt das Land beim Länderfinanzausgleich Geld vom Bund. Doch was die Studenten zur Ummeldung reizen soll, ist noch ungeklärt. Die Entscheidung fällt voraussichtlich am Wochenende bei der Klausurtagung des Senats zum Haushaltsentwurf.

Nach Angaben aus der Wissenschaftsverwaltung zahlt der Bund dem Land jährlich 2.900 Euro pro Einwohner mit erstem Wohnsitz. Bei erwarteten 10.000 bis 20.000 Ummeldungen wären das zwischen 30 und fast 60 Millionen zusätzlicher Einnahmen – abzüglich der Kosten für eine noch ungeklärte Prämie als Wechselanreiz. Zum Vergleich: Beim jüngsten Beschluss zur Bäderschließung ging es um knapp 2 Millionen Euro.

Nach dem Vorbild anderer Städte soll offenbar entweder eine Geldprämie oder ein kostenloses Semesterticket die Studenten in die Meldeämter holen. Erste Überlegungen gingen in Richtung einer Verpflichtung: Kein Studium in Berlin ohne Ummeldung. Dazu meldete jedoch die Justizverwaltung Bedenken an. Stattdessen setzt der Senat nun auf ein Anreizsystem.

Derzeit sind an den Berliner Hochschulen 138.000 Studenten eingeschrieben. „45.000 davon haben nicht hier Abitur gemacht“, sagte der Sprecher der Wissenschaftsverwaltung, Torsten Wöhlert. Er schätzt deswegen, dass sich bis zu 20.000 Studenten durch eine Prämie zur Ummeldung motivieren lassen.

Andere Städte haben außerordentlich gute Erfahrungen mit einer Ummeldeprämie gemacht. „Die sprengen mir den Haushalt – und das ist das Erfreulichste, was mir bislang in diesem Jahr passiert ist“, kommentierte im vergangenen Jahr der Dresdner Stadtkämmerer die Umzugsinitiative. Statt der erwarteten 800 Studenten meldeten sich in der sächsischen Landeshauptstadt 1.600 um und ließen sich ein so genanntes Begrüßungsgeld von 500 Mark auszahlen. Die Stadt musste zwar 800.000 Mark vorschießen, konnte aber mit zusätzlichen Einnahmen von 2,5 Millionen Mark rechnen – in diesem Fall nicht wie in Berlin vom Bund, sondern vom Land. Das machte unter dem Strich allein für das erste Jahr einen Gewinn von 1,6 Millionen Mark. Der einzige Nachteil: Diese höheren Zuschüsse kommen erst 2003.

Ein anderes Modell hatte Leipzig eingeführt. Dort übernahm die Stadt für alle Studenten, die zu Studienbeginn noch nicht in Leipzig gewohnt hatten, den Semesterbeitrag. Eine ähnliche Regelung wurde 1998 in Jena vereinbart. Kritik wurde nur dahin gehend laut, dass dies eine Ungleichbehandlung gegenüber den schon immer in der jeweiligen Unistadt gemeldeten Studenten sei. Juristen verwiesen dazu auf den Grundsatz der Gleichbehandlung und sprechen von „vorenthaltender Begünstigung“. In Leipzig gab es dazu eine Klage am Verwaltungsgericht.

STEFAN ALBERTI

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