: Trinkgelage zu Ehren des Heiligen
Von Hamburg bis Peking: Iren auf der ganzen Welt feiern am 17. März St. Patrick's Day ■ Von Ralf Sotscheck
„Geh bitte zu deinem Arzt und lass dich für den 18. krankschreiben“, rät vorsorglich die Homepage von „Irish Rover“ (Großneumarkt 8) und lädt ab morgen zum dreitägigen Feiern – „abgefüllt bis zum Stehkragen mit Irish Folk und Irish Beer“. In Irland wäre das nicht nötig, dort gilt die schöne Regel: „Fällt ein Feiertag auf einen Samstag oder Sonntag, ist automatisch der darauf folgende Montag frei.“ Am kommenden Sonntag, 17. März, ist St. Patrick's Day, und weil der irische Nationalfeiertag auch in Hamburgs Irish Pubs (eine Auswahl siehe unten) ausgiebig begangen wird, haben wir einen Fachmann herangezogen: Der taz-Korrespondent Ralf Sotscheck ist zwar gebürtiger Berliner, lebt aber seit 1985 in Dublin.
Die letzten 500 Meter sind eine Tortur. Der Weg führt über ein Geröllfeld steil nach oben zum Gipfel. Bei jedem Schritt löst sich eine kleine Steinlawine und rollt den Berg hinab. Aus dem dichten Nebel taucht eine alte Frau auf, die bereits beim Abstieg ist. Sie betrachtet meine hängende Zunge, reicht mir ihren Wanderstock und sagt: „Nimm ihn, mein Sohn, du brauchst ihn nötiger als ich.“ Solchermaßen gedemütigt bewältige ich das letzte Stück zum Gipfel des Croagh Patrick.
Es ist der heilige Berg der Iren, und am letzten Sonntag im Juli ruft er zur Buße. Zehntausende von Sündern machen sich jedes Jahr auf die Socken. Zur Feier des Tages ist selbst beim schweißtreibenden Aufstieg auf den 753 Meter hohen Croagh Patrick Alkohol verpönt – schließlich geht es um Buße. Kinder bieten prosaische Limonade zum Kauf an, die sie mit Lasteseln hochtransportiert haben. Je höher man steigt, desto teurer werden die Getränke.
Sehr irdisch, dieser heilige Berg. Der Aufstieg ist mühsamer als erwartet. Als der Pfad nach halber Strecke schmaler wird, ist das Gedränge beängstigend, die ersten Verletzten werden auf Tragbahren gen Tal geschleppt. Viele Sünder haben sich verschärfte Buße auferlegt: Sie erklimmen den Berg barfuß und ziehen eine Blutspur hinter sich her. Andere tragen Sandalen oder Stöckelschuhe. Wegen der vielen Verletzten hat man den traditionellen Aufstieg in diesem Jahr auf drei Tage verteilt. Patrick, Irlands Schutzpatron, soll im Jahr 441 auf dem Gipfel des Berges 40 Tage gefastet und Pläne für die Christianisierung der Insel geschmiedet haben. Nebenbei trieb er die Schlangen ins Meer – bis heute hat sich keins der fußlosen Kriechtiere wieder in Irland blicken lassen. Ebenso erfolgreich setzte er später dann seine Missionsgelüste um. Und er bescherte den Iren ein Nationalsymbol: Anhand des dreiblättrigen Kleeblatts (Shamrock) erklärte er den heimischen Heiden die Dreifaltigkeit.
Als Sklave der Kelten war der junge Patrick um 405 auf die Grüne Insel gekommen. Sechs Jahre später gelang ihm die Flucht nach Großbritannien, wo er die Priesterwürde erwarb. 432 kehrte er nach Irland zurück, gründete Kirchen, berief Priester und Bischöfe. Soweit die Legende. Historiker sehen seine Rolle etwas nüchterner. Der Historiker MacNiocaill glaubt, dass Patrick lediglich einer von vielen Missionaren des fünften Jahrhunderts war. Aber er war der einzige, der seine Aktivitäten schriftlich dokumentiert hat. Über seinen Geburtstag sind sich die Historiker nicht ganz einig, der Todestag ist jedoch über alle Zweifel erhaben: Der 17. März, längst irischer Nationalfeiertag, wird von Iren in der ganzen Welt mit Umzügen und Trinkgelagen begangen. In Chicago wird an diesem Tag der Fluss und sogar das Bier grün eingefärbt. Die Paraden, die in den USA bereits seit über hundert Jahren stattfinden, hatten früher durchaus auch einen politischen Aspekt: Die irischen Auswanderer protestierten gegen ihre Diskriminierung und forderten ihre Eingliederung in die US-amerikanische Gesellschaft.
Selbst in Peking feiern sie den St. Patrick's Day neuerdings. Im Kneipenviertel der chinesischen Hauptstadt gibt es auch einen Irish Pub, „Durty Nellys Beijing Irish Pub“. Als ich vor zwei Jahren am St. Pat-rick's Day dort war, kam man kaum in die Kneipe hinein. Die Hälfte der Besucher waren Einheimische, die andere Hälfte Iren, die in China arbeiteten und den Einheimischen das Guinnesstrinken beibringen wollten. Guinness, das als irischs-tes aller Getränke gilt, dessen Stammsitz aber schon lange in London ist, hat für Durty Nellys Aschenbecher mit dem Guinness-Schriftzug auf chinesisch anfertigen lassen. Er könne die Dinger gar nicht so schnell nachbestellen, wie sie von Souvenirjägern geklaut werden, sagte der Wirt. Ich hingegen habe meinen ehrlich bezahlt.
In Irland ist der St. Patrick's Day ein Familientag, jedenfalls bis zum Einbruch der Dunkelheit. Morgens gehen die Familien in die Kirche, anschließend zur kilometerlangen Parade, auf der die großen Firmen ihre weltlichen Produkte anpreisen, und danach endlich in die Kneipe. Doch während die Mütter abends mit den Kindern nach Hause müssen, trinken die Väter zu Ehren Pat-ricks weiter, bis sie die Englein singen hören. Diesen zünftigen Brauch haben die Iren in die ganze Welt exportiert: Überall dort, wo Menschen mit irischen Vorfahren leben, und davon gibt es immerhin 70 Millionen, wird am 17. März dem Heiligen zugeprostet. Sogar in Hamburg.
Und dort zum Beispiel im: Froggy's, Eimsbütteler Chaussee 29; Irish Harp Pub, Reeperbahn 136; Leprechaun's Inn, Kleiner Schäferkamp 36; Molly Malone, Hans-Albers-Platz 15; Myrphy's Irish Pub, Friedrichstraße 24; Shamrock, Feldstraße 40; St. Patrick's, Kaiser-Wilhelm-Straße 115; Thomas Read, Nobistor 10a; Titanic, Stresemannstraße 320. Bereits am Samstag wird im Harburger Rieckhof, Rieckhoffstraße 12, gefeiert: ab 20 Uhr gibt's Irish Folk.
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