: Häusle statt Wohnungen
Studie: Leerstand mit 140.000 Wohnungen in Berlin auf Rekordniveau. Stadtflucht hält unvermindert an. LBS fordert Senat auf: Schafft Bauland, auch durch Abrisse
Dass die Hauptstadt mit ihren weit über 100.000 leer stehenden Wohnungen ein Paradies für Mieter und der Alptraum der Vermieter sei, ist eine Mär, die sich herumgesprochen haben müsste. Längst gibt es nicht genügend freie und qualitätvolle Wohnungen für untere und mittlere Einkommen. Und jene oft bemühten Leerstandsquoten finden sich nicht überall in der Stadt, sondern vornehmlich in Plattenbauten an der östlichen Peripherie sowie in sozial heruntergekommenen Kiezen.
Auf ihre Weise interpretiert die Landesbausparkasse (LBS) diese Tatsache, hat sie sich doch die Leerstandsproblematik vom Forschungsinstitut „empirica“ ganz im Sinne ihrer Interessen untersuchen lassen: Nach deren Analyse gibt es in Berlin mit 140.000 freien Mietwohnungen einen Leerstand auf Rekordniveau. Entspannt, so empirica-Geschäftsführer Ulrich Pfeiffer gestern bei der Vorstellung der Studie, habe sich die Situation auf dem Markt aber nicht, wünschten sich die Menschen – und wohl auch die LBS – doch Häuser statt Wohnungen.
„Die Leute finden hier nicht, was sie suchen“, sagte Pfeiffer, weil sie wieder Herr in den eigenen vier Wänden sein wollten. 50.000 Menschen hätten in den letzten Jahren Berlin der Rücken gekehrt und noch immer wanderten jährlich 24.000 Personen in Richtung Umland ab, um im Grünen zu bauen. Lediglich 2.500 Berliner Haushalte bildeten dagegen pro Jahr Wohneigentum an der Spree.
Die Zahl der hauptstädtischen Häuslebauer könne aber durch eine eigentumsfreundliche Politik gesteigert werden, sagte der Vorstandsvorsitzende der LBS Nord, Manfred Breuer. „Das Ziel des Senats muss eine Eigentumsquote von rund 20 Prozent sein.“ Dies entspräche auch dem Niveau anderer deutscher Städte. Derzeit liege die Eigentumsquote in der Hauptstadt bei 11 Prozent.
Pfeiffer forderte den Senat auf, mehr attraktive Flächen für den Bau von Eigenheimen oder kleineren Mehrfamilienhäusern bereitzustellen. Dazu müsse nicht nur das bisherige System öffentlicher Subventionen von Mietwohnungen heruntergefahren werden. Zugleich sollten die „Bau- und Bodenpreise gesenkt werden.“ Außerdem müsse sich Berlin von dem Gedanken trennen, dass jedes abgewohnte Gemäuer erhalten bleiben könne.
Die durchschnittliche Quote von rund 20 Prozent könne durch gezielte Förderung bis 2015 erreicht werden. „Das sollte auch die Zielmarke des Senats sein“ – und wohl auch die der LBS. ROLF LAUTENSCHLÄGER
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