: Kalter Kaffee
Gregor Gysi fordert mehr Freiheit für Straßencafés. Doch es gibt kaum Genehmigungsprobleme. Höchstens beim Lärm. Und den regelt der Bund
von CHRISTOPH TROST
Berlin ist nicht Paris. Vom Wetter her nicht und von der Zahl der Straßencafés her auch nicht. Das scheint Wirtschaftssenator Gregor Gysi (PDS) nicht zu passen. Und wenn er schon nicht am Wetter drehen kann, will Gysi wenigstens etwas für das Flair auf den Straßen der Hauptstadt tun: Er fordert – ganz in der Rolle des Liberalen und zugleich äußerst öffentlichkeitswirksam – mehr Freiheit für Straßencafés.
Und eigentlich hört sich der Vorstoß auch ganz gut an: Ohne Genehmigung sollen Kneipen- und Cafébesitzer künftig Tische und Stühle auf die Straße stellen können. Und sollen dort ohne zeitliche Beschränkung ausschenken dürfen – wenn’s niemanden stört. Die bestehenden Vorschriften sollten flexibler gehandhabt und notfalls abgeschafft werden, unterstrich denn am Donnerstag auch der Sprecher der Wirtschaftsverwaltung, Christoph Lang, die Forderungen seines Chefs. „Wir brauchen keinen Bürokratiemarathon.“
Bislang müssen Wirte, wenn sie ein Straßencafé aufmachen wollen, bei ihrer Bezirksverwaltung eine entsprechende Sondergenehmigung beantragen. Darin wird genau festgelegt, wo und wie lange im Freien ausgeschenkt werden darf. Hört sich kompliziert an, ist es aber offenbar nicht. „Ein solche Genehmigung bekommt eigentlich jeder“, meint Anna Vandenherz von der Betroffenenvertretung Kollwitzplatz. Sie kann Gysis Vorschläge deshalb nicht ganz nachvollziehen. „Die Kneipenbesitzer sind zufrieden“, sagt sie.
Harald Büttner, Leiter des Bauamts im Bezirk Mitte, bezeichnet Gysis Vorschläge schlicht als „heiße Luft“. „Das geht an der Realität vorbei und bringt uns nicht weiter“, so Büttner. Bisher habe es mit den bestehenden Regelungen noch nie Probleme gegeben. „Wir versuchen generell, alles möglich zu machen.“
Grenzen gesetzt sind dem lustigen Treiben auf den Straßen ohnehin vor allem durch strenge Lärmschutzvorschriften. Diese werden allerdings vom Bund erlassen, können also vom Land nicht angetastet werden. Es gilt somit, und zwar nach wie vor: Solange sich kein Anwohner beschwert, kann ein Straßencafé – rein theoretisch – die ganze Nacht über geöffnet haben.
Nebenbei hat Gysi eines nicht bedacht: Würde die Genehmigungspflicht für Straßencafés abgeschafft, müssten die Bezirke wohl auf die daraus entstehenden Einnahmen verzichten. Bislang müssen Wirte für die Nutzung öffentlicher Flächen bezahlen – im Bezirk Mitte beispielsweise knapp 13 Euro pro Quadratmeter und Jahr. Auf rund 200.000 Euro jährlich summieren sich allein dort die Einnahmen – hochgerechnet auf ganz Berlin geht der Betrag in die Millionen. Büttner prophezeit: „Es ist absurd, dass Herr Sarrazin freiwillig darauf verzichtet.“
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