: Kein Stress am Main
Die „Frankfurter Rundschau“ baut Arbeitsplätze ab. Die Aufregung der Belegschaft des linksliberalen Blattes hält sich aber in moderaten Grenzen
von HEIDE PLATEN
Skandal, Protest? Ach was, Gelassenheit herrscht in den Redaktionen, beim Betriebsrat, im Vetrieb. Aufregung kann man das wirklich nicht nennen, was da in den schmalen Gängen des altehrwürdigen Hauses der Frankfurter Rundschau (FR) am Eschenheimer Turm herrscht. Bis zu 20 Prozent der 1.600 Arbeitsplätze sollen, hatte die Financal Times Deutschland Anfang der Woche gemeldet, abgebaut werden bei der FR, die 1945 als erste von der amerikanischen Besatzungsmacht lizenziert wurde und auf dem Zeitungsmarkt am Main als der linke, sozialdemokratische Widerpart der konservativen Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) gilt.
Auch im Neu-Isenburger Druck- und Verlagshaus schlagen die Wellen nicht gerade meterhoch. Die Belegschaft ist dort zu etwa 95 Prozent in der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di organisiert. Deren stellvertretender Bereichsleiter, Berthold Balzer, bleibt ebenfalls gelassen. Die Finanzkrise der FR sei keine Überraschung gewesen, die Meldung in der Financal Times habe deshalb auch nicht wie eine Bombe eingeschlagen. 16 Millionen Euro Miese beim Verlag, 17 Millionen im Druckhaus im vergangenen Jahr entsprächen durchaus dem allgemeinen Trend in der Branche.
Betriebsratsvorsitzender Viktor Kalla, seit zehn Jahren Interessenvertreter, ist weit entfernt von Panik. In seiner ganzen Amtszeit habe es bei der FR keine betriebsbedingten Kündigungen gegeben, dafür seit 1998 aber hohe Investitionen im Druck- und Redaktionsbereich, dadurch bedingte befristete Neueinstellungen und Doppelbesetzungen, notwendig wegen der Umstellung von alter auf neue Technik, allein 160 in den letzten vier Jahren. Die würden jetzt erst einmal wieder abgebaut: „Das fahren wir runter.“
Eine Rundschau-Spezialität, die Sparmaßnahmen und Stellenabbau möglicherweise verträglicher macht als anderswo, sind zwei Altersteilzeitregelungen zu günstigeren Konditionen als gesetzlich vorgeschrieben. 150 Mitarbeiter haben sie bereits in Anspruch genommen. Kein Wunder, sagt ein Kenner der internen Strukturen, „da sitzen ja auch in allen Abteilungen lauter alte Leute“. Ein Arbeitsplatz bei der FR, das galt in der Stadt über fünfzig Jahre lang als fast so sicher wie ein Beamtenposten. Etliche Kollegen gehen deshalb gar nicht erst auf Betriebsversammlungen. Die, sagt einer, „haben sich innerlich schon verabschiedet und Rente ist stattdessen angesagt“. Der Rest, meinen auch viele Mitarbeiter, werde sich durch Fluktuation und das Auslaufen befristeter Verträge lösen lassen. Auch Kalla ist sicher: „Wir haben das schließlich bisher immer gut geregelt gekriegt.“
Dabei sind die Hintergründe der Krise, sagen Mitarbeiter in den technischen Abteilungen, durchaus auch hausgemacht. Um im absehbaren Dilemma des Konkurrenzkampfes der Großen mithalten zu können, hatte die FR in ihr Druckhaus, eine der größten Lohndruckereien in der Bundesrepublik, mächtig investiert. Zeitgleich aber wurde sie Opfer der neuen Techniken. Die zentrale Lage am Main rechnete sich nicht mehr, also lohnte es sich für die Kunden Handelsblatt, Süddeutsche Zeitung, Welt, Bild und deren Sonntagsausgaben auch nicht mehr, die Gesamtauflagen in Neu-Isenburg drucken zu lassen. Elektronische Datenübertragung ermöglicht nun einmal vertriebsnähere Standorte mit kürzeren, billigeren Transportwegen. Das spart nicht nur Geld, sondern ermöglicht auch eine größere Aktualität durch einen späteren Redaktionsschluss. Als glatte Fehlinvestition erwies sich das bunte Relaunch der Nachmittagsausgabe der FR. Der absehbare konjunkturelle Anzeigenrückgang machte sie unlukrativ. Sie sei, meint auch Kalla, ein „Flop“ gewesen, für den es „keinen Bedarf“ gab: „Das Konjunkturbarometer Anzeigengeschäft ist zurzeit in der Tat beschissen.“
Das traf auch die Hauptausgabe, die bis dahin beinahe monopolistisch vom großen Kuchen des Stellen-, Wohnungs- und Automarktes im Rhein-Main-Gebiet profitiert hatte. Alles, was dem FR-Verlag Sorgen machte, ereilte dazu auch die Kunden, große wie kleine. Regionale Anzeigenblätter wie der Äppler, Blitz-Tip und Dreieich-Spiegel müssen ebenfalls sparen. Das alles trifft auf den bundesweit auflagenstärkeren Konkurrenten Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), hört man aus Branchenkreisen, zwar auch, aber erheblich weniger zu: „Keine Abenteuer! Die FAZ hat die FAZ und damit die Kontinuität.“ Berthold Balzer lobt die FR verhalten. Als Arbeitgeber sei sie zwar „im Sozialverhalten auch nicht gebebereiter als andere“, wohl aber „friedlicher“, Tarifverträge und Altersteilzeitangebote „schon ein bisschen besser“. In den vergangenen Jahren hätten Verleger die „Lizenz zum Gelddrucken gehabt und goldene Eier gelegt“: „Das Gejammer muss aufhören.“ Die Flaute werde vorübergehen. Ver.di werde in diesem Jahr, Krise hin oder her, mit einer Forderung von 6,5 Prozent in die Tarifverhandlungen gehen.
Hausinterne FR-Sparpläne dringen nur schwer nach außen. Rundschau-Mitarbeiter sind traditionell meist so loyal wie Ministerialbeamte. Schon bei der Betriebsversammlung im Dezember, sagt einer, sei erwogen worden, einige wenige Arbeitsplätze im Auftragssatz für das Handelsblatt, Rubrik Amtliche Bekanntmachungen – da, wo die Insolvenzen angezeigt werden –, einzusparen. Außerdem gebe es, sagt ein anderer, möglicherweise Pläne, das teure Grundstück des Redaktionshauses mitten in der Frankfurter Innenstadt zu veräußern und die Redaktion nach Neu-Isenburg zu verlagern. Keine schlechte Adresse, denn da kommen schließlich auch die Frankfurter Würstchen her.
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