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Irritierend gut ausgestatteter Junge

Calvin Kleins neue Kampagne, sein neues Model Travis und eine kleine Umfrage des „Guardian“ unter Männern

Noch schauen wir einigermaßen verblüfft auf eine Banane oder zwei Eier in der üblichen Verpackung, die freilich offen steht, und wir fragen uns: Ist das nun riskant, die umgangssprachlichen Metaphern für das männliche Geschlecht und sein Drum und Dran so direkt ins Bild zu setzen? Oder schaut es in seiner merkwürdig sterilen, blau oder orange eingefärbten grafischen Umsetzung nicht eher doof aus? Noch starren wir also auf die Frühjahrswerbung von HOM, auf der der nackte männliche Körper und das Stückchen Wäsche, das seine Blöße bedeckt, nur eine Randerscheinung ist.

Bald aber, so sagen uns die Werber und PR-Fachleute, werden wir Travis sehen. Travis wuchs auf der Farm seiner Eltern in der australischen Kleinstadt Echuca auf. Zurzeit lebt er in Kalifornien. Er ist viel gereist, hat in Melbourne Maschinenbau studiert und in London in einem Pub gearbeitet. Solche Dinge müssen wir über Travis wissen. Denn Travis ist der neue Popstar. Travis ist der neue Popstar, weil er das neue Unterwäschemodel von Calvin Klein ist. So ist das spätestens seit Marky Mark, also Mark Wahlberg.

Die Briten haben Travis bereits zu Gesicht bekommen. Und der Guardian hat ihm schon eine ganze redaktionelle Seite gewidmet. Hier stellt sich nun heraus, auch die Briten schwelgen in Begriffen der Nahrung, wenn sie über das männliche Geschlecht reden. Von „Lunchbox“ wird gesprochen und man darf wetten, dass ihr Inhalt eine Banane und zwei Eier sind. Andererseits vermuten manche an dieser Stelle tatsächlich einen Laib Weißbrot. Hm. Es sind Travis' beeindruckende Proportionen, wie sich der Guardian ausdrückt, die die Zeitung veranlasst haben, eine kleine Umfrage unter Männern zu starten: Fühlen sie sich dadurch nicht verunsichert?

Eigentlich eine überflüssige Frage, denn alle haben Angst. Tommy, 52 und Blumenhändler, begründet das so: „Nein, er macht mich nicht unsicher. Ich denke nicht, dass Frauen männliche Models so anschauen, wie Männer umgekehrt weibliche Models anschauen. Also müssen sich Männer nicht unsicher fühlen.“ Hat jemals jemand behauptet, Männer seien das denkende Geschlecht? Auch Martin, 25, ein Ingenieur, ist schwer in Nöten: „Nein, er regt mich nicht auf. Warum? Er sieht ja eh nur schwul aus.“

Simon, Campbell und Justin, alle 26, alle Versicherungsvertreter und alle verdächtig cool: „Ja, er ist schon gut ausgestattet, aber deshalb fühle ich mich nicht unsicher.“ – „Das ist doch nur ein Socken da unten, oder?“ Immerhin einem der drei fällt ein weiteres Merkmal von Travis' Potenz auf, und er will ihn auch sofort kastrieren: „Überhaupt könnte er einen Haarschnitt vertragen, denken Sie nicht?“ Wenn allerdings Simon, 31 und Inhaber einer Website (was für eine Jobbeschreibung das auch immer sein soll), Recht hat, dann ist das Messer überflüssig, der Appetit auf Travis tut's genauso gut. Simon ist sich nämlich sicher, dass männliche Models ihre Calvin-Klein-Pants mit Weißbrot ausstopfen. Und schließlich reagiert auch Joe, 31, Banker, reichlich panisch auf die Frage des Guardian: „Werden Sie nicht unverschämt, natürlich lässt mich das kalt. Was unterstellen Sie eigentlich? Männer sind nicht dumm und werden so neurotisch wie die Frauen, wenn sie Bilder von Kate Moss sehen.“

Ja, sie alle wissen, wie fies die dreiste sexuelle Protzerei der Calvin-Klein-Underwear-Werbung ist. Da hilft es nicht, dass Travis auf der Farm aufwuchs. Denn alle Befragten leben in der Stadt und wissen um die Angst und Anmaßung, die hier unter konkurrierenden Männern herrscht. Einen schikanösen Vorgesetzten haben, kein Geld und schlechte Noten und dann noch Travis sehen müssen, dafür hat man einfach nie genug Reserven in der Lunchbox.

BRIGITTE WERNEBURG

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