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Last Exit Botschaft

25 Nordkoreaner besetzen die spanische Vertretung in Peking. Sie wollen als Flüchtlinge anerkannt werden

PEKING taz ■ 25 Nordkoreaner haben gestern morgen in der spanischen Botschaft in Peking Schutz gesucht. Sie hoffen, als Flüchtlinge anerkannt zu werden, und wollen nach Südkorea. Chinesische Polizisten riegelten nur wenige Minuten nach der Aktion die Straße vor dem Botschaftsgelände im Diplomatenviertel ab. Die Gruppe besteht aus fünf Familien mit Personen von 10 bis 52 Jahren sowie zwei 16-jährigen Schülerinnen. Sie seien ehemalige Bauern, Polizisten und Bergarbeiter, sagten sie. Ein Flüchtling war Mitglied der herrschenden Nordkoreanischen Arbeiterpartei. „Wir haben uns entschlossen, unser Leben für die Freiheit zu riskieren und nicht passiv auf unseren Untergang zu warten“, erklärten sie auf einem Flugblatt.

Die meisten von ihnen lebten bereits mehrere Jahre illegal in China, bevor sie sich entschlossen, in die Botschaft einzudringen. Falls sie nach Nordkorea ausgeliefert würden, seien sie bereit zum Selbstmord. Einige sollen Rattengift bei sich tragen.

Ihre Angst ist nicht unbegründet: China, das zu den letzten Verbündeten Nordkoreas gehört, erkennt prinzipiell Menschen aus dem Nachbarland nicht als Flüchtlinge an und schiebt sie ab. Dort verschwinden sie in der Regel in Lagern. Chinas Regierungssprecherin Zhang Qiyue erklärte gestern denn auch, die Nordkoreaner in der spanischen Botschaft seien „keine Flüchtlinge“. Sie würden „nach dem Gesetz behandelt“, sagte Zhang, ohne dies weiter zu erläutern.

Die spektakuläre Aktion wurde offenkundig von mehreren westlichen Helfern unterstützt. Einer von ihnen ist der deutsche Arzt Norbert Vollertsen. Er kündigte weitere Aktionen an: „Wir wollen die Welt auf diese Weise auf das Schicksal der 150.000 Nordkoreaner aufmerksam machen, die illegal und schutzlos in China leben.“ Die Zahl der im Untergrund lebenden Nordkoreaner ist nicht bekannt. Viele schlagen sich als Schwarzarbeiter durch, Frauen landen oft in der Prostitution oder werden wie Sklavinnen gehalten.

Mediziner Vollertsen, der Ende der Neunzigerjahre mit der deutschen Hilfsorganisation Cap Anamur in einem nordkoreanischen Krankenhaus gearbeitet hat, setzt sich seit Jahren für Nordkoreaner ein. „Die nordkoreanische Regierung hungert ihre Kinder aus“, sagte der Arzt. Vor zwei Jahren musste er das Land verlassen, nachdem er amerikanische Journalisten während des Besuches der damaligen US-Außenministerin Madeleine Albright über die desolate Versorgungslage in einem Krankenhaus informiert hatte.

Für die chinesische Regierung kommt die Botschaftsbesetzung denkbar ungelegen: Die Nordkoreaner bestehen darauf, die Flüchtlinge zurückzuerhalten. Peking ist nicht daran interessiert, die unberechenbaren Nachbarn zu verärgern. Zudem will es Präzedenzfälle verhindern. Dagegen steht die Forderung westlicher Regierungen und Menschenrechtsorganisationen, die Flüchtlinge zu schützen. Kurz vor den geplanten Besuchen von Staatschef Jiang Zemin in Deutschland und in den USA würde eine Entscheidung gegen die Nordkoreaner in der Botschaft Spaniens, das derzeit die EU-Präsidentschaft innehat, zu heftigen Protesten führen.

JUTTA LIETSCH

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