: Promille für die Dritte Welt
Ein Schröder, ein Wort: Deutschland soll mehr Geld für die Entwicklung des Südens ausgeben. Wenn’s das Budget hergibt, wird die Hilfe ausgeweitet – auf 3,3 Promille des Inlandsprodukts
BERLIN taz ■ Als Konsequenz aus dem 11. September hat Gerhard Schröder sein Herz für die Entwicklungshilfe entdeckt. Mit deutscher Zustimmung soll auf dem EU-Gipfel, der heute in Barcelona beginnt, eine Mindesthöhe bei der Entwicklungshilfe von 0,33 Prozent des Bruttoinlandsprodukts beschlossen werden. Das Ziel muss bis 2006 erreicht werden. „Die Anhebung ist eine vernünftige, eine richtige Perspektive“, sagte der Bundeskanzler gestern in Berlin, denn Europa müsse einen Sicherheitsbegriff entwickeln, der nicht auf das Militärische reduziert sei.
Schröder stellte sich mit seinem Machtwort auf die Seite der Entwicklungshilfe-Fans Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) und Joschka Fischer (Grüne), die im Konflikt mit Sparminister Hans Eichel (SPD) lagen. Eichel hatte sich gegen den Vorschlag der spanischen EU-Ratspräsidentschaft für eine Erhöhung gewehrt, weil er um seinen Sparkurs fürchtet. Zu Eichels Beruhigung betonte Schröder am Donnerstag, dass die gefundene Lösung ein Kompromiss sei, der einhergehen müsse mit dem Ziel der Haushaltskonsolidierung.
Der rot-grünen Koalition war selbst in den eigenen Reihen vorgeworfen worden, bei ihrem Einsatz gegen den Terror die Armutsbekämpfung zu vernachlässigen. „Man kann nicht nur Kofi Annans Reden im Bundestag applaudieren“, sagte ein Beamter der taz, „irgendwann muss man die Absichtserklärungen und Entschließungsanträge auch mal umsetzen.“ In Deutschland liegt der Anteil der Entwicklungshilfe bei 0,27 Prozent, in der EU insgesamt bei 0,33. Der Plan von Barcelona sieht für den EU-Durchschnitt eine Steigerung auf 0,39 vor, indem rückständige Länder wie die Bundesrepublik aufholen. NGOs halten diese Bemühungen für unzulänglich und bezeichnen einen Anteil von 0,7 Prozent als absolut notwendiges Minimum.
Damit die Bundesrepublik den derzeitigen europäischen Durchschnittswert von 0,33 Prozent erreicht, sind nach Berechnungen von Wieczorek-Zeuls Ministerium bis 2006 jährlich 150 Millionen Euro zusätzlich notwendig. Derzeit liegt der Etat bei 3,7 Milliarden. „Der Knoten ist durchschlagen“, klopft man sich im Ministerium auf die Schultern, „das ist ein realistischer Zeitplan, der nicht überfordert.“ Ausschlaggebend für das Einlenken der Deutschen war wohl die Furcht, in der EU isoliert dazustehen. Nur Griechenland hatte vorübergehend eine Blockade des spanischen Vorschlags erwogen. Mit ihrer Selbstverpflichtung will die EU vor allem auf der UN-Entwicklungskonferenz nächste Woche im mexikanischen Monterrey Eindruck schinden. Die Hoffnung könnte trügen: Mehr als 60 Kirchen und Entwicklungsorganisationen beharrten bereits auf dem Ziel von 0,7 Prozent. PATRIK SCHWARZ
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