: Neue Erkenntnisse helfen Eltern und Kindern weiter
taz: Die Symptome eines Schlaganfalls bei Kindern unterscheiden sich kaum oder gar nicht von denen eines Schlaganfalls bei Erwachsenen. Trotzdem gibt es Schwierigkeiten bei der Diagnose. Wieso?
Dr. Günter Auerswald, Prof. Hess Kinderklinik: Gerade Neugeborene können sich noch nicht so bewegen und ausdrücken wie Erwachsene. Wir können also die typischen Symptome wie Sprachstörungen und Lähmungen kaum feststellen. Wenn es einem Kind schlecht geht, weil es durch den Schlaganfall akuten Sauerstoffmangel hatte, kann die konkrete Diagnose „Schlaganfall“ nur schwer gestellt werden. Zwar hilft dort ein Ultraschall, doch mit zunehmendem Alter wird eine derartige Untersuchung immer schwerer. Zudem muss man bei Blutuntersuchungen von Neugeborenen mit minimalsten Mengen auskommen, auch sind die normalen Blutwerte viel niedriger als im Erwachsenenalter, so dass ein Mangel oft erst zwei oder drei Jahre später diagnostiziert werden kann. Wir machen also anfangs nur die absolut notwendigen Untersuchungen und diagnostizieren später genauer.
Wie oft behandeln Sie Schlaganfälle bei Kindern?
Wir sehen das häufig. In Bremen gibt es jährlich ungefähr vier Neugeborene, die einen Schlaganfall erleiden.
Welche Kinder haben ein erhöhtes Risiko?
Kinder, die bei der Geburt an Sauerstoffmangel litten oder Frühgeborene. Andere Risikofaktoren ergeben sich aus Krankheiten, die das Blut leichter gerinnbar machen. Vieles davon ist angeboren und kann mit anderen Risikofaktoren zum Verschluss eines Blutgefäßes, das heißt einer Thrombose führen. In der Pubertät betrifft diese Problem vor allem Mädchen, die die Pille nehmen.
Gibt es Möglichkeiten der Früherkennung?
Grundsätzlich ja. Dazu muss man sich intensiv mit den kleinen Patienten beschäftigen, Gespräche mit den Eltern führen. Oft stelle ich fest, dass es in Familien, in denen ein Kind einen Schlaganfall erleidet, häufiger Thrombosen gibt. Zum Beispiel hatte der Vater mit 40 Jahren einen Herzinfarkt, die Mutter eine Thrombose in der Schwangerschaft und keiner weiß, warum. Dabei muss man der Medizin und den Betroffenen zugute halten, dass diese Erbkrankheiten vor circa 15 Jahren noch nicht genetisch bekannt beziehungsweise diagnostizierbar waren. Vor allem solchen Eltern raten wir, sich gründlich untersuchen lassen, um Erbkrankheiten als Risiko für eine Thrombose festzustellen und bei den Neugeborenen entsprechend vorbeugen zu können.
Welche Fortbildungsmaßnahmen für Ärzte gibt es?
Insgesamt sind Ärzte heute viel besser über Risiken wie vermehrte Thromboseneigung und genetische Faktoren informiert, als noch vor zehn Jahren. Das erkenne ich auch daran, dass viele Kinderärzte ihre kleinen Patienten zu mir schicken, damit ich sie untersuche. Im Frühjahr bietet das Bremer Rehazentrum Friedehorst eine Fortbildung zum Thema an.
Fragen: Michél Dalaserra
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