: „Ausziehen und abwarten, das reicht nicht“
„An Themen mangelt es nicht, man muss sie nur veredeln“: Klaus Kärcher, Manager von Anni Friesinger, über die mediale Verwertbarkeit von olympischen Medaillen, die rechtzeitige Marktpositionierung von Sportlern, die Bedeutung von Nacktfotos und die Eigendynamik des Zicken-Zoffs
Interview FRANK KETTERER
taz: Herr Kärcher, deutsche Athleten und Athletinnen haben bei den Olympischen Spielen in Salt Lake City exakt 35 Medaillen gesammelt. Was machen die Sportler jetzt damit?
Klaus Kärcher: Da müssen Sie jeden Einzelnen fragen, was er mit seiner Medaille macht: ob er sie in den Safe legt oder ins Küchenregal. Das weiß ich natürlich nicht.
Was würden Sie denn als Manager den Sportlern raten?
Das kann man nicht verallgemeinern. Man muss da erst sehen, um was für einen Typ es sich bei dem Sportler handelt, was er gewonnen hat und wie der mediale Stellenwert seiner Sportart ist. Es gibt da keinen festgelegten Marktwert, den ein Sportler erreicht, wenn er eine Medaille gewonnen hat.
Wie legt sich dieser Wert dann fest?
Zum einen macht das der Sport selbst, über seine mediale Wertigkeit. Ganz entscheidend dabei ist, wie oft eine Sportart im Fernsehen gezeigt wird, wie oft sie präsent ist. In der Formel 1 zum Beispiel wird man ganz automatisch zum Star, allein durch die Tatsache, dass man mitfährt. Bei den Sportarten von Winterspielen ist das natürlich nicht der Fall. Da ist zunächst einmal die Medaille das höchste Gut, das ein Athlet erreichen kann. Was er daraus dann macht, hängt aber sicherlich auch von weiteren Faktoren ab: Von seiner Persönlichkeit und von seiner sportlichen Perspektive zum Beispiel. Daraus ergibt sich dann ein Marktwert, in dem eine Medaille zwar eine Rolle spielt, aber sicherlich nicht die alles entscheidende.
Welcher dieser Faktoren ist am wichtigsten, um vermarktbar zu sein?
Das ist von Fall zu Fall verschieden. Da kann man keine Rangliste erstellen. Wichtig ist, dass die angesprochenen Grundfaktoren, also Persönlichkeit, Perspektive und Erfolg, prinzipiell vorhanden sind.
Und dann? Wie vermarktet man einen Medaillengewinner?
Wenn man mit der Vermarktung erst anfängt, wenn die Medaille schon da ist, ist es meistens schon zu spät. Eine Medaille ist ja ein Ziel, das ein Sportler erreichen will. Und es ist für die Vermarktung immens wichtig, dass bereits der Weg zu diesem Ziel richtig begleitet wird. Dass man also schon in den Jahren davor versucht, den Sportler auf dem Markt zu positionieren. Und dabei ist es natürlich wichtig, dass es sich bei der Person um eine Persönlichkeit handelt, die ein bisschen herausragt aus der Masse, die auf ihre Art unverwechselbar ist. Wenn dann auch noch der ganz große sportliche Erfolg dazukommt, hat man bei der Vermarktung alle Möglichkeiten. Aber noch einmal: Es ist vor allem entscheidend, schon den Weg hin zu der Medaille zu vermarkten – und nicht erst die Medaille selbst.
Eine Medaille bei Olympia ist dann also nur noch das Sahnehäubchen?
Genau, so kann man das sehen. Sie verbessert die Qualität, aber nicht die Quantität.
Das heißt?
Es kommt durchaus nicht auf die Masse der Sponsoren an oder darauf, möglichst viele neue dazuzugewinnen. Wenn ich zwei Topsponsoren habe, die mir über Jahre hinweg treu sind und mit denen ich sehr gut arbeiten kann, dann ist das allemal besser, als wenn ich fünf habe, auf die ich mich nicht so verlassen kann.
Ist es ein Problem, dass die Saison für die Wintersportler sich dem Ende zuneigt und sie sich nicht weiter in Erinnerung bringen können?
Auch für einen Wintersportler ist es heute durchaus möglich, das ganze Jahr über präsent zu sein – wenn er ein bisschen kreativ ist. Eisschnellläufer trainieren im Sommer zum Beispiel sehr viel mit dem Rad oder auf Inline-Skates, das kann man doch auch der Öffentlichkeit zeigen. An Themen jedenfalls mangelt es bestimmt nicht, man muss sie nur veredeln. Auf jeden Fall ist wichtig, dass sich ein Sportler nicht nur über den Wintersport und somit über die Zeit von November bis März definiert. Auch die Monate dazwischen sind sehr, sehr spannend.
Ihr Manager-Kollegen Werner Köster hat nach den Sommerspielen von Sydney im taz-Interview behauptet, ein guter Teil von den Olympiasiegern dort seien „Wegwerfsieger“, also Sieger für einen Tag. Können sie das bestätigen?
Nein, das sehe ich nicht so. Das scheint mir doch etwas sehr hart formuliert.
Herr Kärcher, welchen Faktor bei der Vermarktung, zumindest jener von Sportlerinnen, haben der Playboy oder ähnliche so genannte Herrenmagazine?
Ich sehe den Playboy nicht unbedingt als geeignetes Mittel, um Sponsoren zu gewinnen. Wobei ich die Entscheidung, sich für den Playboy fotografieren zu lassen, für eine rein persönliche halte. Nur aus dem Gedanken heraus, mit diesen Fotos dann Öffentlichkeit zu gewinnen und somit bessere Werbeverträge, sollte man auf keinen Fall die Entscheidung treffen, sich auszuziehen.
Eine nackte Sportlerin lässt sich nicht besser vermarkten als eine angezogene?
Nee. Ganz im Gegenteil. Nur ausziehen und dann mal abwarten, was sponsorentechnisch so passiert, das kann nicht zum Erfolg führen.
Dennoch verhandelt neuerdings sogar Dreifach-Olympiasiegerin Claudia Pechstein mit dem Playboy , obwohl sie vor den Spielen doch noch gegen Nackt- und Halbnacktfotos gewettert hatte. Warum wohl tut Sie das?
Das müsssen Sie die Claudi fragen.
Vielleicht ist sie ja mehr oder weniger vom „schönsten Busen Olympias“ und somit von Ihrer Klientin Anni Friesinger zu diesem Schritt genötigt worden.
Man wird zu so etwas doch nicht genötigt. Es war schlichtweg eine Anfrage des Playboy, und Claudia Pechstein hat sich darüber wohl ihre Gedanken gemacht.
Es wäre doch aber möglich, dass Frau Pechstein eingesehen hat, dass Siegen allein nicht genügt, um in der Öffentlichkeitswirkung mit Frau Friesinger gleichziehen zu können. Und deshalb zieht sie sich nun für den Playboy aus.
Anni hat sich noch nicht für den Playboy ausgezogen.
Das ein oder andere freizügige Foto von ihr gibt es aber schon auch.
Ja. Aber weil sie sagt: So bin ich. Sie ist einfach stolz auf ihren Körper und zeigt das bisweilen auch.
Entsteht aus Pechsteins Playboy -Ambitionen nun vielleicht die nächste Folge im Zicken-Zoff, nach dem Motto: „Und jetzt die nackte Wahrheit – das Busenduell Teil zwei“?
Nein, das glaube ich nicht. Im Übrigen gibt es von Anni keine Fotos, auf denen man alles sieht. Das wurde immer verdeckt, entweder durch den Körper selbst oder durch die Aufnahmesituation, auch hier geht es um Qualität. Selbst der Pfarrer von Inzell konnte mit den Fotos von Anni immer ganz gut leben.
Herr Kärcher, wie sehr kann so eine öffentliche Auseinandersetzung, wie sie zwischen Anni Friesinger und Claudia Pechstein während der Olympischen Spiele stattfand und auch danach, die Vermarktung ankurbeln? Wie sehr erleichtert das Ihre Arbeit?
Es war für uns kein entscheidender Punkt, prinzipiell aber ist eine Aufmerksamkeit, wie sie uns in Salt Lake City entgegenschlug, absolut positiv zu bewerten.
Dann hat es Sie auch nicht gestört, dass kaum ein Tag während Olympia verging, ohne dass in der Bild-Zeitung der Busen Ihrer Klientin abgebildet war oder darüber geschrieben wurde.
Nein. Ich habe da ja keinen nackten Busen gesehen. Außerdem ist ab einem gewissen Moment der Punkt gekommen, an dem man auf solche Dinge wenig Einfluss hat. Wenn jemand eine gewisse Popularität erreicht hat, entsteht eine Eigendynamik, in die man kaum mehr steuernd eingreifen kann. Das ist Pressefreiheit. Wobei es manchmal schon besser gewesen wäre, wenn sich die Berichterstattung ein bisschen mehr auf den Sport konzentriert hätte.
Auf der anderen Seite scheint es mittlerweile so, dass Anni Friesinger wohl darauf achten muss, nicht vollends in die Luder-Ecke gedrängt zu werden. Der Spiegel glaubt bereits festgestellt zu haben, sie sei „in die Liga von Jenny Elvers und Naddel abgerutscht. Nur mit kräftigeren Oberschenkeln.“ Droht Frau Friesinger ein Imageproblem?
Nein. Schon weil 99,99 Prozent der Menschen die Leistung von Anni anerkennen und ein Sportler ja in erster Linie über die Leistung definiert wird. In diesem Punkt habe ich also überhaupt keine Angst. Jemand, der Gold gewinnt, den kann man einfach nicht in diese Naddel-Elvers-Ecke stellen. Da hat Anni die Antwort schon von selbst gegeben.
Dennoch haben Sie angekündigt, Friesingers Bild in der Öffentlichkeit „entzerren“ zu wollen. Was verstehen Sie darunter und wie wollen Sie das anstellen?
Wir wollen nichts entzerren, sondern Anni wieder so darstellen, wie sie ist. Es geht also nicht darum, ihr ein neues Image zu verpassen, sondern nur das falsche Bild, das vielleicht teilweise entstanden ist, zu korrigieren und jenes in den Vordergrund zu rücken, das ihr entspricht.
Nämlich?
Anni ist eine Topathletin, die keine Probleme mit ihrem Körper hat und sehr offen ist, auch wenn das in der Öffentlichkeit manchmal ein Risiko darstellt. Aber so ist sie eben. Und so wird sie auch bleiben.
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