: Kölner Genossen auf harten Stühlen
Nach Auffliegen ihres Korruptionsskandals sehen die Kölner Delegierten auf dem Parteitag der nordrhein-westfälischen SPD blass aus. Ehrenerklärungen müssen für Familien mit abgegeben werden. Kölner Bundestagskandidat von der Liste gekippt
aus Düsseldorf PASCAL BEUCKER
Franz Müntefering will seinen Genossen Mut machen: „Wir können jetzt schon sagen, 13 Tage nachdem die Vorgänge in Köln bekannt geworden sind, sind wir mit der Aufklärung weiter als die CDU 27 Monate nach Kohl.“ Einst werde der Kölner Spendenskandal in Lehrbüchern stehen – als ein Beispiel, wie eine Partei vorbildlich einen solchen Fall aufarbeitet, ruft der SPD-Generalsekretär in den Saal.
Marlis Herterich klatscht und lächelt dankbar. Doch schnell holt sie wieder der triste Alltag ein. Das nächste Kamerateam hat sich vor ihr aufgebaut. Ob die Vorgänge in der Domstadt nicht schon an die Mafia in Italien erinnerten, will eine Reporterin von ihr wissen. Die Geschäftsführerin der Kölner SPD-Ratsfraktion versucht auch darauf noch freundlich zu antworten. Es gibt zur Zeit Angenehmeres, als Kölner Sozialdemokratin zu sein, auch auf der Landesdelegiertenkonferenz der nordrhein-westfälischen SPD am Samstag im Düsseldorfer Congress Centrum. Gemeinerweise hat man die Kölner auch noch in die Saalmitte gesetzt – wie an den Pranger.
Erst am Freitagabend war eine weitere Bombe geplatzt. Der SPD-Landesvorstand strich Werner Jung von der Landesliste zur Bundestagswahl. Außerdem wurde ein Parteiordnungsverfahren gegen den Kölner Bundestagsdirektkandidaten eingeleitet. Vor den 411 Delegierten begründet Landeschef Harald Schartau die ergriffenen „Sofortmaßnahmen“ damit, „dass es erhebliche Zweifel gibt über den Zusammenhang von zwei Spendenquittungen und die dafür von Jung angegebenen Ausgaben, die er für die Partei gemacht hat“.
Hat der 48-Jährige also tatsächlich eine falsche „Ehrenerklärung“ abgegeben? Marlis Herterich muss – wie auch die anderen 108 Amts- und Mandatsträger der Kölner SPD – ihre „Ehrenerklärung“ erst heute abgeben. Und nicht nur für sich. Auf dem Formblatt von der Partei heißt es, die Erklärung gelte auch für ihren Ehemann „und übrige Familienangehörige“.
„Diese Maßnahme wird für den einen oder anderen Funktionär der SPD zunächst als Zumutung gewirkt haben“, gibt Parteichef Schartau zu. Doch solange die Liste des ehemaligen Kölner Schatzmeisters Manfred Biciste mit den 42 Empfängern unberechtigter Spendenquittungen nicht auf dem Tisch liege, gebe es keine andere Möglichkeit, „uns von dem Pauschalverdacht zu befreien“. Herterich hat den Zettel bereits vergangene Woche zurückgeschickt. „Ich hatte Glück“, sagt die gelernte Buchhändlerin, „in der Zeit, um die es geht, war ich völlig out in der SPD.“ Ebenso wie ihr Mann Günter. Der war in den 70er und 80er-Jahren der mächtigste Politiker in Köln, hatte sogar den SPD-Partei- und Fraktionsvorsitz inne. Dann wurde er von Klaus Heugel gestürzt.
Heugel, der 1999 über unerlaubte Aktieninsidergeschäfte stolperte, gilt als einer der Schlüsselfiguren in dem Skandal um die 424.000 Euro illegaler Spenden, die sein Fraktionsgeschäftsführer Norbert Rüther in den 90er-Jahren angenommen hat. Marlies Herterich flog dank Heugel 1989 aus dem Rat – und kehrte erst im Oktober 1999 zurück. Sie gilt deshalb als unbelastet. Eine von wenigen.
Noch während Franz Müntefering mit 96,8 Prozent der Stimmen zum Spitzenkandidaten der 79-köpfigen SPD-NRW-Liste für die Bundestagswahl gewählt wird, kursieren bereits wieder neue Namen führender Kölner Genossen im Saal, die angeblich auf der Biciste-„Schandliste“ stehen. In seiner Schlussrede versichert Harald Schartau noch mal, die Partei werde gründlich aufräumen und dann gestärkt in den Wahlkampf ziehen.
Marlies Herterich hört schon nicht mehr zu. Sie ist froh, dass der Parteitag nach nur vier Stunden vorbei ist. Kurz vor 15.00 Uhr sitzt sie mit zwei weiteren Genossinnen bereits wieder im Zug nach Köln. Die Fahrkarten, so betonen sie, hätten sie aus eigener Tasche bezahlt. Nur damit kein falscher Verdacht entsteht.
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