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Sex im Eismeer

Die perfekte Symbiose zwischen Ohrensessel und Stahlrohrstuhl: Heute Abend liefern Röyksopp aus der nördlichsten Stadt der Welt im ColumbiaFritz den stillen Soundtrack aus dem Honigtopf für ein angenehmes Leben nach dem Tod

Ach, hier stimmt alles, wirklich alles. Die Bilder, der Name, die kleinen netten Geschichten, ja selbst die Musik. Röyksopp sind eigentlich zu perfekt, um wahr zu sein: So stammt das Duo nicht nur schlicht aus Norwegen, sondern gleich aus Tromsö, der nördlichsten Stadt der Welt – ein Ort, von dem aus Schiffe aufbrechen ins Eismeer. Dort scheint im Winter niemals die Sonne, sondern das Nordlicht und im Sommer verabschiedet sich die Nacht für Wochen.

Dort oben liehen sich Torbjörn Brundtland und Svein Berge im Jahre 1993 einen Sampler, weil es sonst ja nichts zu tun gab. So geht zumindest die Legende und da man für so eine Einstiegsmöglichkeit erwachsene Musikschreiberlinge schon hat weinen sehen, ist sie so oft schon kolportiert worden, dass sie einfach wahr geworden sein muss. Das Allerallerschönste aber an dieser Geschichte ist, dass unsere beiden Helden Brundtland und Berge nicht nur in Tromsö wohnen, nicht nur für Fotos in riesige, flauschige Pelze gehüllt posieren, sondern auf ihrem ersten richtigen Album „Melody A.M.“ auch noch Musik machen, die klingt, als könnte sie nur dort droben am Eismeer, in riesige, flauschige Pelze gehüllt entstehen: Weite Klanglandschaften, aus denen einzelne Töne ins Bewusstsein ragen, elektronisches Schweben, gesampeltes Stimmungsbebilderung.

Mal scheint die Musik still zu stehen, dann wieder setzt ein Rhythmus ein, als möchte die Welt stillstehen, um sich immer rundherum um eine Tanzfläche zu drehen. Mal geschieht nichts, dann viel zu viel, mal bleiben Röyksopp instrumental, mal bitten sie wunderschöne Stimmen dazu, mal klingen sie wie Air minus Disco-Hysterie, mal wie Minimal Music aus dem Honigtopf. Diese Musik verkraftet vielleicht nicht alles, aber doch sehr viel: Easy-Listening-Vorwürfe, das Gesülze der Kings of Convienience (mit denen man gut bekannt ist und bisweilen zusammen arbeitet), den nicht vollkommen an den Haaren herbeigezogenen Vergleich mit ihren Landsleuten von A-Ha und selbst ein Saxophon.

Sie selbst sagen von einem ihrer Tracks, er klinge wie der Soundtrack zu einem Leben nach dem Tode, in dem Sex mit Engeln auf Valium an der Tagesordnung sei. Außerdem dauere der Winter nun mal sechs Monate im Norden von Norwegen und sei doch die bessere Jahreszeit, weil er die Menschen zueinander führt vorm Kamin bei einem Gläschen oder auch zweien. So viel soziale Kompetenz setzen sie um in digitale Musik, die eine analoge Wärme rekonstruiert, wie man sie bereits im letzten Jahrtausend immer wieder gern zu schätzen wusste. Ein großer Einfluss, sagen sie auch, sei Erik Satie, aber mindestens genauso wichtig ist immer wieder Filmmusik und da vor allem Francis Lai, der sein Geld vor allem mit der Vertonung von Pornos verdient hat.

Das Ergebnis ist geeignet zum Hinlümmeln, aber auch dazu, das Gesäß zu bewegen. Man kann Zuhören oder Wegdämmern, Liebe machen oder verliebt sein. Röyksopp sind die perfekte Symbiose zwischen Ohrensessel und Stahlrohrstuhl, zwischen Teppichboden und Tanzboden, zwischen Pups und Party. Ach, ja.THOMAS WINKLER

Heute, 20.30 Uhr im ColumbiaFritz, Columbiadamm 9-11, Tempelhof

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