: was bisher geschah
Gerichtsstreit um den „großen Leichnam am Kreuz“
Am 10. Juni 1995 entschied das Bundesverfassungsgericht, die rund 35.000 Kruzifixe in den Klassenräumen bayerischer Grund- und Hauptschulen seien abzunehmen. Die Karlsruher Entscheidung sollte damals ein fast zehnjähriges Verfahren beenden, in dem Eltern befürchtet hatte, „der große Leichnam am Kreuz“ könne das Unterbewusstsein ihrer Kinder negativ prägen. Doch der Freistaat konterte und unterlief das Karlsruher Urteil durch ein neu gefasstes Bayerisches Erziehungs- und Unterrichtsgesetz. Das Augsburger Verwaltungsgericht stellte zuletzt 1997 fest, dass Lehrer als Beamte den Traditionen ihres Bundeslandes loyal gegenüberstehen und damit die Anordnung des Schulleiters hinnehmen müssten, Klassenräume mit Kreuzen zu versehen. Dagegen klagte nun Konrad Riggenmann vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof – und bekam sein Recht: „Kreuze mit und ohne Korpus seien (…) sinnbildlicher Ausdruck bestimmter Glaubensüberzeugungen und Symbol ihrer missionarischen Ausbreitung“ – dabei hat sich der Staat jeder Einmischung in Glaubensfragen zu enthalten: „Auch als Beamter müsse der Kläger dem zuwiderlaufende Einschränkungen seiner Grundrechte nicht hinnehmen“. Im Urteil heißt es: „Unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 6. November 1997 und der entgegenstehenden Entscheidung wird der Beklagte verpflichtet, in den Klassenräumen, in denen der Kläger unterrichtet, das Kreuz abzunehmen.“ Damit ist zum ersten Mal das Recht eines Lehrers festgeschrieben, die Abhängung des Kreuzes zu verlangen. TAZ
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