Warten auf UN-Mandat? „Zeitverschwendung“

Für die britische Regierung steht die Notwendigkeit eines Schlags gegen den Irak außer Frage. Die Bevölkerung ist gegen einen Angriff

DUBLIN taz ■ Großbritannien hat wieder mal ein Problem mit Europa. Während Premierminister Tony Blair und sein Außenminister Jack Straw genügend Gründe finden, gegen den Irak in den Krieg zu ziehen, sind die anderen EU-Regierungen vorsichtiger. Bundeskanzler Gerhard Schröder will nur dann mitmachen, wenn der Angriff von den Vereinten Nationen abgesegnet wird. Die französische Regierung bestätigte, dass sie mit Schröder „ziemlich genau“ übereinstimme. Ein Regierungssprecher in Paris sagte: „Frankreich hat den US-Angriffen in Afghanistan nach dem 11. September zugestimmt, weil eine neue Situation entstanden war. Es gab deutliche Beweise, dass al-Qaida dort operierte. Der Fall Irak ist anders. Es ist keine neue Situation.“

Skepsis in der eigenen Partei

Blairs Sprecher machte am Wochenende auf dem EU-Gipfel in Barcelona kein Geheimnis aus den Meinungsverschiedenheiten. „Die Leute diskutieren von verschiedenen Standpunkten aus“, sagte er, „aber sie haben dasselbe Ziel.“ Die britische Regierung hält die Bemühungen um ein UN-Mandat für Zeitverschwendung, weil die russische Regierung dem nicht zustimmen würde. Der Staatssekretär im Außenministerium, Ben Bradshaw, erklärte den Unterhaus-Abgeordneten letzte Woche, dass ein UN-Mandat gar nicht nötig sei. „Juristisch betrachtet hat der Irak nicht nur die UN-Resolutionen gebrochen, sondern auch den Waffenstillstand, den Bagdad am Ende des Golfkrieges eingegangen war.“ Blair sagt, der Irak habe vor allem gegen die UN-Resolution 687 verstoßen, da die Massenvernichtungswaffen nicht zerstört worden seien.

Doch selbst in der eigenen Partei stoßen seine Behauptungen auf Skepsis. 117 Labour-Abgeordnete, darunter auch frühere Minister, unterstützen einen Antrag gegen den Krieg. Die Kabinettsministerin Clare Short erklärte am Sonntag, sie sei gegen eine „blinde Militäraktion gegen den Irak“ und drohte mit Rücktritt. Und auch Innenminister David Blunkett warnte seine Kollegen, ein Angriff auf den Irak werde zu erneuten Rassenunruhen in Großbritannien führen.

Während US-Vizepräsident Dick Cheney um die Welt reist, um für Unterstützung eines US-Krieges gegen den Irak zu werben, versucht Außenminister Straw, die Bedenken im Unterhaus zu zerstreuen. Doch Fakten kann auch er nicht vorlegen. Die Beweise enthielten „empfindliche Geheimdienstinformationen“ und müssten deshalb geheim bleiben, sagt Straw. Er folgt in seiner Argumentation der Bush-Regierung, die behauptet, dass Bushs Vorgänger Bill Clinton gegen die terroristische Gefahr, die von Afghanistan ausging, untätig geblieben sei und dadurch die Ereignisse des 11. September zugelassen habe. Das werde der Bush-Regierung nicht passieren.

Angst vor Iraks atomaren Waffen

In einem Untersuchungsbericht, der von Straw in Auftrag gegeben worden war, heißt es: „Wir glauben, dass das irakische Regime sein Waffenprogramm vor kurzem ausgeweitet hat. Das Raketenprogramm hat Fortschritte gemacht, und die Einrichtungen, die bei der Operation Desert Fox 1998 zerstört wurden, sind repariert worden. Da es keine UN-Inspektionen gibt, gehen wir davon aus, dass Saddam die Reichweite seiner Raketen über die von den UN erlaubten 150 Kilometer ausdehnen will.“ Ein Regierungssprecher sagte, Großbritannien erwarte, dass Saddam innerhalb von vier Jahren in der Lage sein werde, einen Angriff mit atomaren oder chemischen Waffen zu starten. Weil es keine Beweis gibt, zieht Straw den Abschlussbericht der UN-Inspektoren von 1999 heran. Das 280 Seiten starke Dokument dokumentiere die Ausflüchte der Irakis, als es um ihr Waffenprogramm ging. „Irak hat zugegeben, Teile von chemischen und biologischen Waffen und Raketenteile in der Wüste, in Höhlen und in Eisenbahntunneln versteckt zu haben“, sagt Straw. „Wir glauben, dass der Irak noch immer chemische und biologische Waffen besitzt und sie gegen eine Reihe von Zielen einsetzen will.“ Nur – die Informationen sind nicht neu. Die Kriegsbefürworter in Großbritannien aber argumentieren, dass es sich um eine neue Analyse der Informationen handle.

Die britische Bevölkerung ist gegen einen Angriff auf Irak, das hat gestern eine Umfrage des Guardian ergeben: Nur 35 Prozent sind dafür. Mit 43 Prozent sind die Labour-Wähler am kriegsfreudigsten, bei den Tories sind es zwei Prozent weniger, darunter aber Tory-Chef Iain Duncan Smith, der Blair seine Unterstützung zugesagt hat. Vor vier Jahren hatte es noch eine klare Mehrheit für die Bombardierung des Irak gegeben. RALF SOTSCHECK