: Kinder rechnen mit Streik
Die Gewerkschaften lehnen die Sparpläne des Senats glatt ab. Nach Ostern soll in den Kitas der Ausstand herrschen. Ver.di-Chefin: Öffentlicher Dienst in Geiselhaft für verfehlte Bankenpolitik
von STEFAN ALBERTI, SABINE AM ORDE und RICHARD ROTHER
Der Sparhaushalt ist verkündet, und der Streit geht erst richtig los. Vor allem die Gewerkschaften machen gegen die Kürzungen im öffentlichen Dienst mobil. Nach Ostern könnte es bereits zu ersten Streiks in den Kitas kommen. „Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes sollen in Geiselhaft für eine verfehlte Wirtschafts- und Bankenpolitik genommen werden“, wetterte gestern die Landeschefin der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, Susanne Stumpenhusen.
Harte Worte gab es auch vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und von der Polizeigewerkschaft GdP. Der Berlin-Brandenburger DGB-Chef Dieter Scholz nannte die Kürzungen bei den öffentlichen Ausgaben „beschäftigungspolitisch verheerend und mittelstandsfeindlich.“ Die soziale Ausgewogenheit der Sparmaßnahmen sei nicht erkennbar, sagte er mit Blick auf die Einschnitte bei der Sozialhilfe. GdP-Sprecher Klaus Eisenreich sprach von „übelster Hinterzimmerpolitik“. Behördenleiter seien nicht gefragt worden. Auf der Grundlage des Haushaltsentwurfs lasse sich kaum noch über weitere Einsparungen reden, die der Senat mit einem Solidarpakt erreichen will. Auch der Landeschef der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Ulrich Thöne, sah keine Verhandlungsbasis mehr.
Diesen Solidarpakt mit den Gewerkschaften hat der rot-rote Senat neben Stellenstreichungen fest eingeplant, um seine Personalkosten bis 2006 um eine Milliarde Euro zu verringern. Dabei schwebt ihm etwa ein Verzicht aufs Weihnachtsgeld vor. Ver.di-Chefin Stumpenhusen hält schon den Begriff für falsch: „Wir sehen im Solidarpakt nichts Solidarisches.“ Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst sind bundesweit tarifvertraglich geregelt. Ver.di will sich gegen eine Aufweichung stemmen. Ihre Gewerkschaft will Gespräche über den Solidarpakt jedoch nicht boykottieren. Ver.di-Sprecher Andreas Splanemann sieht darin eine Möglichkeit, über eine Verwaltungsreform zu sprechen. Dabei soll aber nicht der Spareffekt im Vordergrund stehen. Er erwartet, dass der Senat nach den Osterferien Verhandlungstermine vorschlägt.
Hauptauseinandersetzungspunkt dürften aber die Kitas werden. Für eine Erzieherin würde die Streichung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld 1.600 Euro Einkommensverlust pro Jahr bedeuten. „Der Unmut in den Einrichtungen ist groß“, sagte Stumpenhusen. Sollte sich Innensenator Ehrhart Körting (SPD) nicht bewegen, werde es nach Ostern zu ersten Aktionen kommen – „bis hin zum Streik.“ GEW-Chef Thöne will im April „mit allen gewerkschaftlichenMaßnahmen bis hin zum Streik“ gegen den „Angriff auf Förderung und Bildung von Kindern“ vorgehen.
Die Gewerkschaften bereiten bereits Verhandlungen über „einen qualitätsorientierten Tarifvertrag für die staatlichen Kindertagesstätten“ vor. Damit wären sie streikberechtigt. Darüber hinaus fordern sie vom Senat, auf Privatisierungen und betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. „Die Kürzungen im Kita-Bereich zeugen von allem, nur nicht von einer Priorität für Bildung“, sagte Thöne. Anfang der 90er hatte ein Streik die Kitas wochenlang lahmgelegt.
Der GEW-Landeschef kritisiert den Senat zudem für seine Personalpolitik im Schulbereich. Dort sind 1.040 Stellen für pädagogische Maßnahmen vorgesehen. Augenwischerei, meint Thöne: „Die Stellen, die neu geschaffen werden sollen, sind vorher gestrichen worden.“
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