: CIA prophezeit Guerillakrieg
US-Militärbasis im Osten Afghanistans gerät unter schweren Beschuss. US-Geheimdienste sagen schwierige Phase der Kämpfe voraus. Eine Ausweitung des Mandats für die internationale Schutztruppe über Kabul hinaus wird es offenbar nicht geben
von ERIC CHAUVISTRÉ
Auch nach dem offiziellen Abschluss der US-Offensive „Operation Anaconda“ im Osten Afghanistans haben die US-Streitkräfte das Gebiet offenbar nicht unter Kontrolle. In der Nacht zum Mittwoch wurde ein US-Militärstützpunkt bei Khost südöstlich von Kabul mit Granaten, Mörsern und Maschinengewehren beschossen. Khost liegt in der Provinz Paktia, wo die USA gemeinsam mit deutschen Spezialeinheiten und Truppen anderer Verbündeter in den letzten Wochen Stellungen mutmaßlicher Al-Qaida- und Taliban-Kämpfer attackierten.
Nach Angaben eines Militärsprechers auf dem US-Stützpunkt Bagram bei Kabul gab es bei dem mehrere Stunden dauernden Gefecht in Khost keine Toten unter den US-Truppen. Bei den Angreifern habe es sich um Taliban- und Al-Qaida-Anhänger gehandelt. Genau wollte sich der Sprecher jedoch nicht festlegen: „Wir wissen nicht, wer auf uns geschossen hat und aus welchem Grund.“ Nur einen Tag zuvor hatte es in dem Ort eine Auseinandersetzung zwischen örtlichen Milizen und Anhängern des von der Interimsregierung eingesetzten neuen Polizeichefs gegeben. Bei der Schießerei wurde eine Person getötet.
Unabhängig von dem Angriff auf den US-Stützpunkt in Khost sind gestern mindestens drei Besatzungsmitglieder eines Hubschraubers der US-Armee bei einer Bruchlandung bei Kandahar im Süden Afghanistans verletzt worden. Ein Pentagon-Sprecher erklärte in Washington, an einem Helikopter vom Typ MH-53 sei das Heck abgebrochen; das Unglück sei durch aufgewirbelten Staub verursacht worden.
Der Kommandeur des US-Einsatzes in Ostafghanistan, General Frank Hagenbeck, warnte gestern vor einer „gesteigerten Aktivität des Feindes“. Wegen des besseren Wetters müssten sich die US-Streitkärfte und ihre Verbündeten auf weitere Kämpfe gegen Anhänger der Taliban und al-Qaida einstellen. Auch die Chefs zweier US-Geheimdienste gehen von weiteren schwere Kämpfen aus. CIA-Chef George Tenet sagte vor einem Kongressausschuss in Washington, die USA würden in Afghanistan in eine Phase treten, „die noch schwieriger ist, weil es jetzt um kleinere Einheiten geht“. Auch der Direktor des militärischen Geheimdienstes Defense Intelligence Service, Thomas Wilson, prophezeite während des Hearings „eine große Wahrscheinlichkeit eines insurgency-type warfare“ – einer Art Guerillakrieg zur Aufstandsbekämpfung.
Angesichts der erwarteten schweren Kämpfe hatte die britische Regierung am Montag bekannt gegeben, sie wolle auf Wunsch der USA weitere 1.700 Truppen nach Afghanistan verlegen. Gleichzeitig bereitet Großbritannien jetzt seinen Rückzug als Führungsnation der Schutztruppe Isaf vor. Die Aufgaben werden faktisch zwischen deutschen und türkischen Truppen aufgeteilt, wobei die Bundesrepublik formell das „taktische“ und die Türkei das „strategische“ Kommando übernimmt. In der Praxis bedeut dies wohl vor allem, dass die deutschen Truppen nicht für die Koordination der Schutztruppe in der Hauptstadt mit den von den USA geführten Kampftruppen im Rest des Landes zuständig sein werden. Für die Übernahme der Führungsrolle sagten die USA der Türkei Finanzhilfen in Höhe von 228 Millionen Dollar zu.
Eine Ausdehnung des Isaf-Mandats auf ganz Afghhanistan lehnt die US-Regierung laut einem Bericht der Washington Post entschieden ab. Das Pentagon setzte sich nach diesem Bericht damit endgültig gegen den Wunsch von UN-Generalsekretär Kofi Annan und dem afghanischen Interimsregierungschef Hamid Karsai durch, die beide eine Ausweitung des Mandats gefordert hatten.
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