: Zum Medaillensammeln, kehrt marsch!
Im Sportausschuss des Bundestags wurden die Perspektiven des bundesdeutschen Leistungssport diskutiert. Viel kam dabei nicht heraus – außer der Idee, neben den Wintersportlern auch die Sommerathleten zum Bund zu schicken
BERLIN taz ■ Kathrin Boron ist ein Glücksfall. Nicht nur, weil die Ruderin die weltbeste Athletin ihrer Zunft ist: Drei olympische Goldmedaillen und acht Weltmeistertitel hat sie in 13 Jahren gesammelt. Jetzt ist sie 32 und denkt auch schon mal über das Karriereende nach. Doch im Gegensatz zu manch anderem Sportler muss Boron sich um die Zukunft keine Sorgen machen. Denn die Potsdamerin hat einen Beruf erlernt, von dem sie sagt: „Ich bin glücklich und dankbar, dass ich nach meiner sporlichen Karriere eine Absicherung habe.“
Dass das für eine Spitzensportlerin nicht normal ist, stellte Boron am Mittwoch bei der Sitzung des Sportausschusses im Deutschen Bundestag klar. Einziger Punkt der Tagesordnung war die „augenblickliche Situation und Perspektiven des Spitzensports in Deutschland“. Doch die Anhörung konzentrierte sich ziemlich schnell auf Punkt neun des Fragenkatalogs: „Welche Probleme bestehen aktuell, um Berufsausbildung und Leistungssport miteinander zu vereinbaren?“ Die Antwort: Viele. Denn es fehlen Konzepte, die es vor allem jungen Sportlern ermöglichen, ihrem Sport nachzugehen und zugleich ihre berufliche Zukunft abzusichern.
So wie Kathrin Boron, die nach ihrem Schulabschluss bei der Deutschen Bank zur Bankkauffrau ausgebildet wurde. Drei statt der üblichen zwei Jahre dauerte die Ausbildung, weil die Athletin in einem Olympiajahr begann und immer wieder für das Training freigestellt wurde. Heute, als Angestellte, ermöglicht ihr Arbeitgeber es ihr immer noch, zweimal täglich zu trainieren und regelmäßig an Trainingslagern und Wettkämpfen teilzunehmen. Drei weitere Sportler fördert die Deutsche Bank auf diese Weise und nimmt unter deutschen Unternehmen damit eine Vorbildfunktion ein. Denn nur wenige Große wie der Versicherungskonzern Gerling oder der Chemiemulti Bayer sind noch bereit, trotz finanzieller Einbußen und zeitlicher Ausfälle junge Sportler beruflich zu fördern. Insgesamt zu wenige Plätze für die Talente gebe es, beklagte der bei der Sitzung ebenfalls anwesende Leiter des Stützpunkts Oberwiesenthal, Thomas Weise: „Eine Verbindung von beidem ist nur möglich, wenn bereits erfolgreiche Sportlerinnen und Sportler eine Ausbildung aufnehmen.“
Für den Spitzensport in Deutschland hat das mitunter aber verheerende Folgen. Denn nach Angaben des Deutschen Sport-Bundes (DSB) brechen bis zu 80 Prozent der Junioren beim Übergang zu den Senioren ihre Karriere als Leistungssportler ab. Die so genannte „Drop-out“-Quote belegt, dass viele keine Möglichkeit sehen, Sport und Ausbildung oder gar ein Studium auf einen Nenner zu bringen. Studenten, die den Schritt wagen, bezeichnen ihre Situation Angaben des DSB zufolge meist als schwierig. Und 20 Prozent der voll berufstätigen Sportler geben an, es „sehr schwer“ zu haben.
Ausnahmen bilden hier die Athleten der Sportfördergruppe der Bundeswehr und des Bundesgrenzschutzes. Sportler wie Claudia Pechstein und Anni Freisinger haben durch ihr erfolgreiches Abschneiden bei den Olympischen Spielen in Salt Lake City bewiesen, dass das Miteinander von Sport und Uniform besonders gut funktioniert – gerade bei den Wintersportlern. Handlungsbedarf sieht DSB-Vizepräsident Ulrich Feldhoff dagegen im Sommersport. „Wir brauchen aber keine neuen Konzepte“, sagt Feldhoff, „sondern müssen uns überlegen, wie wir die bestehenden Konzepte aus dem Wintersport auf den Sommersportbereich übertragen können.“ Auch hier lautet die Antwort: berufliche Absicherung. Denn nur wenige Sommersportler seien bei der Bundeswehr oder bei einem Unternehmen, das sie für Training und Wettkämpfe freistelle.
Bis zu den Olympischen Spielen 2004 in Athen gelte es, gerade für diese Athleten die Möglichkeiten zu verbessern, sagte Feldhoff vor dem Ausschuss. Wie das genau funktionieren soll, wusste aber auch er nicht zu beantworten. Prinzipiell gäbe es „gute Ausgangspositionen“ für Athen, so Feldhoff nebulös, nun gelte es nur noch, die Athleten entsprechend „zu motivieren“.
MARIJA LATKOVIC
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