: Kotzbrockens Lustphantasien
■ Ins Gegenteil verkehrtes Spiel: Theater Orange präsentiert Simon Blacks „Ekstase“
Ekstase. Dieses Gefühl von Haltlosigkeit, totaler Entäußerung, Überschwang der Empfindung: Businessmann Charles Hudson (Thomas Nestler) weiß nicht mehr, wie es sich anfühlt. Nach vielen Jahren der Ehe mit seiner Frau ist er erstarrt in geteilter Einsamkeit. Daher sinnt er auf neue Erweckung seiner Lust: Während er seine Frau beim Flirt mit anderen Männern beobachtet, will er jetzt Beglü-ckung spüren.
Ekstase lautet auch der Titel einer deutschen Erstaufführung von Simon Blacks Stück im neuen Kulturzentrum „Hamburger Botschaft“. Ein kahler Raum mit einer großen Fensterfront. In das sanfte Retro-Galerie-Interieur fügt sich die Inszenierung von Christian Concilio wunderbar ein. Der Schauspieler und Regisseur hat schon einige Male mit dem Ensemble des Theater Orange gearbeitet. Die 1998 von dem Theaterpädagogen und Regisseur Peter Ohrt ins Leben gerufene Schule orientiert sich vor allem an der Körper- und Bewegungskunst der Theaterlabors Stanislawskis und Gretowskis. Mit der Inszenierung schließen zwei SchauspielschülerInnen ihre Ausbildung ab.
Auf Lars Maués Bühne steht ein Ledersofa, auf dem sich Gattin Dawn (Mirja Mahir) räkelt. Kurz nach ihrem Erscheinen in hochgeschlitztem Kostüm ist klar, dass sie sich ausziehen wird. Aus ärmlichen Verhältnissen hat sie sich „hochgeheiratet“. Gehorsam schlüpft sie in den roten Fummel, den der Gatte reicht. Er will zusehen, wie „die zügellose Ekstase aus dem Stall unserer Hemmungen treibt“. Also starrt er hin, wenn Dawn in einem mittelmäßigen Club einen arbeitslosen Cowboy bezirzt.
Die Stage-School-Absolventin Mirja Mahir ist in der Rolle des Opfers, das zum Täter mutiert, die erfahrenste Darstellerin. Aber auch Thomas Nestler überzeugt in einer späten Rollenwandlung, während Manuel Hechenberger ansehnlich den gutherzigen Liebhaber mimt. Am Ende entgleitet Kotzbrocken Charles das Spiel, und die Gattin dreht den Spieß um. Fazit: Benutze deine Mitmenschen nicht für Deine Obsessionen, sonst landest Du in der Gosse. Eine gute Stunde fühlt man sich recht gut unterhalten. Die Intimität des Ortes lässt Nähe zum Spiel der SchauspielerInnen aufkommen, deren Vertrauen in die Regie man deutlich spürt.
Annette Stiekele
nächste Vorstellungen: 27. +28. März, 20.30 Uhr, „Hamburger Boschaft“, Sternstraße 67
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