Eklat im Pariser Büchersalon

Die jährliche Buchmesse in der französischen Hauptstadt steht diesmal unter dem Zeichen der italienischen Literatur. Dagegen regen sich die Proteste: Einige bleiben weg, andere kritisieren Berlusconi, und wieder andere demonstrieren

PARIS taz ■ Der Salon du Livre ist ein literarisches Großereignis in Paris. Zugleich ist er ein Politikum. Bei jeder Buchmesse steht ein anderes Land im Mittelpunkt. In diesem Jahr ist es Italien, jenes europäische Land, dessen Literatur in Frankreich die meistübersetzte und meistgelesene ist. Üblicherweiser kommt der Regierungschef des Gastlandes zur Eröffnung nach Paris.

Silvio Berlusconi war am Freitag, als der 22. Salon du Livre in Paris eröffnete, nicht in Paris. Er schickte zwei Staatssekretäre aus dem Kulturministerium. Schon wenige Stunden nach der Eröffnung reiste deren Delegation wieder ab. Unter Protest. Nach Ansicht der beiden Herren aus Rom, Nicola Bono und Vittorio Sgarbi, habe Frankreich die „Regierung eines befreundeten Landes“ beleidigt. Frankreich, zu dieser Behauptung verstieg sich Sgarbi in Paris, „ist kein demokratisches Land“.

Anlass für die römische Aufregung waren Demonstrationen gegen die berlusconische Kulturpolitik auf der Buchmesse. Mit und ohne Masken der Commedia dell’Arte behinderten Demonstranten die Eröffnung des italienischen Pavillons. Auf Transparenten war unter anderem zu lesen: „Vergogna“ (Schande) und „Italia si, Berlusconi no“.

Doch schon im Vorfeld der Buchmesse war die italienische Regierung verärgert. Ein Teil der italienischen Schriftsteller hatte es kategorisch abgelehnt, nach Paris zu fahren. Andere lehnten es ab, ihre Reise von der Berlusconi-Regierung finanzieren zu lassen. Wieder andere, darunter zahlreiche Gäste, die noch bis zum Ende dieser Woche auf der Pariser Buchmesse bleiben, nutzen die Gelegenheit, um ihre Kritik an der römischen Regierung vorzutragen. Den lesenden Franzosen sind zeitgenössische italienische Schriftsteller gut bekannt. Erleichternd kommt hinzu, dass sehr viele italienische Schrifsteller fließend Französisch sprechen.

Auch die französische Kulturministerin Catherine Tasca, Tochter eines italienischen Einwanderers, geriet angesichts des Buchsalons in einen Konflikt. Schon vor der Messe hatte sie wissen lassen, dass es ihr schwer fallen würde, Berlusconi zu empfangen. Von der Demonstration auf der Buchmesse freilich distanzierte sie sich umgehend. „Frankreich bleibt eng mit der Entwicklung der Kulturbeziehungen nach Italien verbunden“, versicherte Tasca.

Die beiden Herren aus Rom glaubten Tasca nicht. Bevor sie die Türe zuknallten, kritisierten sie, dass Tasca sie „durch den Hintereingang“ empfangen haben und dass die Ordner auf der Messe nicht willens gewesen seien, die Kritik an Berlusconi zu verhindern. DOROTHEA HAHN