piwik no script img

Gefidelte Disharmonie

Widerstands-Prozess gegen Klaus den Geiger wird für Musik im Gerichtssaal sorgen  ■ Von Kai von Appen

Klaus der Geiger musiziert gern im Norden. Doch zurzeit hält er sich in unseren Gefilden – gestern spielte er „widerständische Musik aus dem Wendland“ am Mönckebrunnen und heute in Lüneburg – nicht ganz freiwillig auf. Klaus von Wrochem, so sein bürgerlicher Name - muss sich am Donnerstag in Lüneburg – Frontstadt zum Wendland – wegen „Beleidigung“ und „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ verantworten. Der Vorwurf: Klaus der Geiger habe mit seiner Fidel bei der X-1000mal-quer-Blockade gegen die Castor-Transporte teilgenommen und sich somit den Ordern der Obrigkeit widersetzt.

Seit Mitte der siebziger Jahre ist der Polit-Barde aus Köln mit seiner Geige bei fast jeder Anti-Atom-Aktion dabei: Und so spielte der „Maestro aus der Kölner Schildergasse“ auch am 27. März 2001 in Wendisch Evern auf den Gleisen, als nach dem Atomtransportstopp durch Ex-Umweltministerin Angela Merkel Rot-Grün die ersten Behälter mit atomarem Müll wieder ins Zwischenlager Gorleben rollen ließ.

Als die Polizei die X-1000malquer-Blockade auf den Gleisen abräumen wollte, wich er der angedrohten staatlichen Gewalt. Dennoch geriet er mit der Staatsmacht in Konflikt: Denn als von Wrochem und seine Begleiterin nach Ende der Aktion die Schienen überquerten, um zu ihrem Auto zu gelangen, stürzte sich ein Polizist auf den Geiger und schubste ihn auf die Gleise, so dass seine Geige „kaputtging“ und er sich am Bein verletzte. Voller Wut betitelte der Maestro den polizeilichen Schienenrambo als „Arschloch“ und das Malheur nahm seinen Lauf. Anzeige, Strafbefehl, Widerspruch, Prozess. Doch da sich der Straßenmusiker unschuldig fühlt – allein die Reparatur seiner Fidel kostete 600 Mark – lehnt er die Zahlung von 3.000 Mark aus dem Strafbefehl ab. Daher wird es in der Verhandlung zwar melodiös, aber nicht besonders harmonisch zugehen, wenn Klaus der Geiger musikalisch auf Freispruch plädiert.

Prozesstermin: Am Donnerstag, Amtsgericht Lüneburg, 14.30 Uhr, Ochsenmarkt 3, Saal 125.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen