Hundert grüne Zentimeter

■ Kieler Koalition einigt sich auf Flughafenausbau. Simonis macht bekennende Pragmatikerin zur Chefin der Staatskanzlei

Einen ganzen Meter haben nach zähen Verhandlungen die Grünen in Schleswig-Holstein ihrem roten Koalitionspartner abgerungen. Das Kabinett verständigte sich gestern darauf, die Landebahn des Kieler Regionalflughafens Holtenau von 1260 auf 1799 Meter plus 300 Meter Sicherheitszone auszubauen. SPD-Verkehrsminister Bernd Rohwer hatte 1800 Meter Landebahn verlangt, die Grünen hatten höchstens 1600 Meter akzeptieren wollen und ein Raumordnungsverfahren gefordert.

Stattdessen kündigte Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) nach der Kabinettssitzung ein Planfeststellungsverfahren an, in dem noch einmal geprüft werden solle, ob auch 1600 Meter mit und ohne Sicherheitszone reichen würden. Ziel sei es jedoch, einen „leistungsfähigen“ Linien- und Geschäftsreiseverkehr in der Region zu gewährleisten. Holtenau fertigte im vergangenen Jahr 166.000 Passagiere ab und bietet Direktverbindungen nach Berlin, München, Frankfurt, Köln und Mannheim.

Bautechnisch und rechtlich solle sichergestellt werden, so Simonis, dass kein Charterflugverkehr mit großen Ferienfliegern möglich ist. Der werde weiterhin über Hamburg-Fuhlsbüttel abgewickelt. Damit werde der Besorgnis von Anliegern Rechnung getragen. Noch am Sonnabend hatten 4000 Menschen in der Innensetadt gegen den Ausbau des Airports protestiert, der von Wohngebieten umgeben ist. Rohwer bezifferte die Ausbaukos-ten auf rund 48,4 Millionen Euro. Der grüne Umweltminister Klaus Müller räumte ein, dass das Ergebnis nicht seinem Ausgangswunsch entspreche. Es sei jedoch eine tragfähige Vereinbarung, weil die Startbahn mit einer Breite von wie bisher 30 Metern nicht für große Jets geeignet sei.

Als künftige Staatskanzleichefin hatte Simonis zuvor Ulrike Wolff-Gebhardt (SPD) vorgestellt. Die Regierungspräsidentin in Lüneburg tritt die Nachfolge des langjährigen Simonis-Vertrauten Klaus Gärtner an. Dieser war vor zwei Wochen wegen der Pröhl-Affäre zurückgetreten. Der ehemalige EXPO-Beauftragte Karl Pröhl sitzt unter dem Verdacht von Bestechlichkeit, Kreditbetrug und Steuerhinterziehung in Untersuchungshaft.

„Als langjährige Regierungspräsidentin bringt sie ein hohes Maß an Erfahrung in Verwaltung und Politik mit – ideale Voraussetzungen für die Leitung der Staatskanzlei“, sagte Simonis über Wolff-Gebhardt, künftig die einzige Frau an der Spitze einer deutschen Staatskanzlei. Die 55-jährige Dip-lom-Sozialwirtin, eine ausgewiesene Verwaltungsexpertin, stellte sich mit den Worten vor: „Ich bin bekennende Pragmatikerin.“ lno