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Der Geist der Trommler

„Djeli“, das Sprachrohr für die sich ständig verändernde afrikanische Community in Berlin, berichtet vor allem über Musik. Darüber erschließe sich die Kultur seines Kontinents am besten, sagt der Herausgeber des Magazins, Moctar Kamara

„Es ist ein anderer Journalismus, wenig professionell, aber aufrichtig“„In Berlin ist es viel entspannter und weniger chaotisch als in Paris“, sagt Kamara

von HENNING KRAUDZUN

Früher war die Trommel die Zeitung. Und die Djeli schlugen sie und sangen, um Neuigkeiten unter die Leute zu bringen. Vor Jahrhunderten, im afrikanischen Vielvölkerstaat Mandigue, bildeten sie eine eigene Berufsgruppe. Auf Hochzeiten oder Totenfeiern versorgten sie die Gemeinde mit Nachrichten und Tratsch. Heute läuft das alles natürlich moderner. Doch der Geist der Djeli lebt weiter, in Berlin in dem gleichnamigen Magazin, das sich als Wegweiser in die afrikanische Kultur in Deutschland versteht.

Und einen besseren Zeitpunkt für das Erscheinen der ersten Ausgabe hätte sich Moctar Kamara, Herausgeber und Chefredakteur in Personalunion, im vergangenen Jahr kaum wählen können. Zum Karneval der Kulturen erschien das Heft, das noch aus der Improvisation schöpfte und als Leitfaden für viele Darbietungen auf dem Straßenfestival diente. Denn es ist doch gerade das Gespür für Musik, das die afrikanische Kultur so lebendig macht. Folgerichtig steht hinter dem Konzept, ein Heft für die afrikanische Szene ein Berlin zu machen, dass sich Kamara und seine Mitarbeiter die Afro-Musikszene in Berlin bruchstückhaft erarbeiten. Über die Musik erschließe sich auch die Kultur seines Kontinents, sagt der Djeli-Herausgeber.

Der Musikszene räumt er in jedem Heft viele Rubriken ein. Neben internationalen Stars werden unbekannte Musiker porträtiert, Afrodiskos vorgestellt, CDs rezensiert und Kulturhinweise gegeben. Andererseits wird den zahlreichen Initiativen, den Entwicklungsprojekten, Freundeskreisen und Integrationsvorhaben ein Podium geboten. Mittlerweile findet das Magazin immer mehr deutsche Leser. Und damit deren geografische Kenntnisse über den schwarzen Kontinent nicht völlig rudimentär bleiben, werden sie auf zwei Djeli-Seiten mit Länderporträts aufgefrischt. Ein Sprachrohr für die sich ständig verändernde afrikanische Gemeinschaft in Berlin zu sein, den Anspruch erfüllt Djeli längst. Offiziell leben 18.000 Afrikaner in der Stadt, Schätzungen gehen von über 30.000 aus.

Doch Monat für Monat muss sich Kamara weiter strecken, um die Herstellungskosten für die Zeitschrift aufzutreiben. Mindestens 2.500 Euro müssen jeden Monat an die Druckerei überweisen werden. Die Autoren und Fotografen arbeiten ohnehin ehrenamtlich. Von den durchschnittlich 2.000 Heften verkauft sich nur knapp die Hälfte. „Es wird immer schwieriger, Sponsoren zu bekommen“, betont Kamara. Die Anzeigenkunden, zumeist Afroshops, Bars und Restaurants, zahlen nicht, und wenn, dann verspätet. Die neue Ausgabe konnte wegen der Geldprobleme nur als kopiertes Heft erscheinen, schwarzweiß und per Hand zusammengetackert. „Wir brauchen mehr engagierte Leute“, sagt Kamara.

Schulterklopfen von allen Seiten hält bisher die Idee eines Afromagazins aus Berlin am Leben. „Es ist ja eine andere Art von Journalismus, niemals professionell, aber dafür aufrichtig“, sagt Kamara und lacht. Seine unbefangene Art, ein Heft zu machen, findet immer mehr Zuspruch. Die Botschafter einiger afrikanischer Staaten haben sich schon für sein Engagement bedankt, Politiker bezeugen ihr Wohlwollen, die DJ-Ikone Jimmy Bamba vom SFB- Radiosender „Multikulti“ stärkt ihm den Rücken.

Wie der polyglotte Musikstar und Schauspieler Bamba, der den Begriff „Worldmusic“ als einer der ersten DJs prägte, kam auch Moctar Kamara über Paris nach Berlin. Melancholisch klingt er, wenn er über die Zeit in der Seinemetropole spricht: „Dort fühlt man sich als Schwarzer überhaupt nicht fremd. Es gibt in Paris eine Fülle an afrikanischer Kultur wie sonst nirgendwo.“

So schnell allerdings, wie Kamara die Sehnsucht nach Paris beschleicht, verfliegt sie auch wieder: „Ich wohne jetzt sechs Jahre in Berlin und habe den Umzug niemals bereut“, sagt er mit fester Stimme. In Frankreich hatte er im Pariser Vorort St. Denis Philosophie studiert und hernach eine Stelle am Institut bekommen. An der Universität lernte er seine spätere Frau kennen, die dort als Übersetzerin arbeitete, und zog letztendlich wegen ihr nach Deutschland. An die Sprache hatte sich Kamara schon damals herangetastet – weil er unbedingt Heideggers „Zeit und Sein“ im Original lesen wollte. „Die Übersetzungen ins Französische waren unzureichend“, sagt er.

Während eines Kurzurlaubs in Berlin vor dem Umzug hatte er die Stadt sofort wegen ihrer Schnelllebigkeit und gleichzeitig wegen ihrer Beschaulichkeit gemocht. „Hier war es viel entspannter und weniger chaotisch als in Paris“, sagt Kamara. Als er dann dauerhaft in Berlin lebte, hatte er es, trotz akademischer Erfahrungen im Gepäck, genauso schwer wie andere afrikanische Neuankömmlinge. Er konnte kaum Deutsch, fand keinen angemessenen Job und bekam erst nach einigen Jahren Anschluss an die Berliner Afroszene. „Viele Afrikaner machen hier ihr eigenes Ding und wollen nichts von der Gesellschaft wissen“, bemängelt der Djeli-Chefredakteur.

Nicht nur um seinen Lebensunterhalt damit zu verdienen, sondern auch um einen festen Ort der Kommunikation zu etablieren, machte er vor zwei Jahren seinen eigenen Laden auf, das „Wagadu“. Dort verkauft er musikalische Raritäten, Batik, Schmuck und Textilien, handgefertigte Koras und Djembes, die traditionellen Instrumente der afrikanischen Stämme. Mit dem „Wagadu“ als Ausgangspunkt erschloss er sich die Enklaven der Afrokultur in Berlin, lernte Gleichgesinnte kennen, „fand über die Liebe zur Musik jene Motivation, ein eigenes Magazin zu machen“. Er organisierte Konzerte, engagierte sich in Vereinen und gab seine Erfahrungen mit deutschen Behörden an afrikanische Asylsuchende weiter.

Vielleicht lebt deshalb, wenn man es genau nimmt, der Geist eines Djeli in Moctar Kamara weiter. Zumal mit dem Wahlkampfthema Zuwanderung. Wenn er die Ausdauer der alten Musiker besäße, würde er jeden Tag vor dem Bundestag trommeln. Allein die unerfreulichen Nachrichten zu singen, würde Wochen dauern, sagt er.

Mehr Infos: www.djeli.de

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